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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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Sterben der Menschen, dem er so oft beigewohnt, am eignen Leibe auszukosten. Auf dem Schlachtfeld, das von Wunden und Qualen dampft, liegt ein Jüngling, dessen Brust zerschmettert ist, und über ihn hat sich die weinende Braut geworfen. In dieses schwindende Leben geht der Todesengel ein und leidet zum Schmerz des Sterbens den Schmerz der Trennung vom Geliebten. »Da überdachte er sanft das schwere Menschenleben… . tief rührte ihn die menschliche Tugend und er weinte aus unendlicher Liebe gegen die Menschen, die unter dem Anbellen ihrer eignen Bedürfnisse, unter herabgesunkenen Wolken, hinter langen Nebeln auf der einschneidenden Lebensstraße dennoch vom hohen Sonnenstern der Pflicht nicht wegblicken, sondern die liebenden Arme in ihrer Finsternis ausbreiten für jeden gequälten Busen, der ihnen begegnet, und um die nichts schimmert als die Hoffnung, gleich der Sonne in der alten Welt unterzugehen, um in der neuen aufzugehen.«
    Diese kleine Dichtung, die in der deutschen Literatur seit Klopstock nicht mehr gehörte Töne einer kosmischen Schau in sich barg, sandte er, zusammen mit einer Satire »Ob man den Pöbel aufklären dürfe« an Herder mit der Bitte, sie in Wielands »Merkur« unterzubringen. Ende Oktober mahnte er noch einmal. »Ich kann meine unberufene Vermehrung und Unterbrechung Ihrer Geschäfte mit nichts entschuldigen, als mit dem Vertrauen auf helfende und vertrauende Humanität.« Von seiner Armut hatte er Herder bereits früher geschrieben. Ganz stark glaubte er unter Berufung auf die »Humanität« ihres Verkünders an das Tor pochen zu dürfen. Hätte Herder seine Briefe wirklich erhalten, er würde wahrscheinlich auch diesmal Jean Pauls Arbeiten mit einem kurzen Höflichkeitsvermerk zurückgesandt haben. Nicht aus Mangel an Hilfsbereitschaft sondern an Zeit. Es war sein Schicksal, stets durch eine Flut von Berufsgeschäften überlastet zu sein. Aber diesmal befand er sich in Italien, und Karoline Herder empfing Jean Pauls Sendung. Infolge dieses Zufalls wurde sie die erste Frau, deren Herz Jean Paul eroberte. Es war die kleine Dichtung »Was der Tod ist«, die sie für den unbekannten Verfasser gefangennahm. »Ihr zweites Stück, was der Tod ist, hat mir so innig wohl gefallen; ich hätte beinahe Ihren wahren Namen anstatt Hasus darunter gesetzt.« Sie traf damit ins Schwarze, denn Jean Paul war in der Tat im Begriff, den Satirenschreiber »Hasus« zu überwinden und als eignes Wesen unmaskiert in die Welt zu treten.
    Karoline hatte die Aufsätze wie gebeten an Wieland geschickt, sie aber von ihm zurückerhalten. Einmal für ihren unbekannten Schützling tätig, hatte sie dann mit größerem Erfolg versucht, die beiden Arbeiten bei Boie, dem Herausgeber des »Deutschen Museum« in Göttingen anzubringen. Indessen ging das »Museum« gerade damals ein, und nur in das letzte Heft konnte noch schnell die Dichtung »Was der Tod ist« eingerückt werden. Die Satire sandte sie notgedrungen zurück, und es wird ihr wahrscheinlich nicht allzu leid getan haben, für diese Arbeit nicht sorgen zu können.
    Karolines Brief machte Jean Paul überglücklich. Zum erstenmal ergriff er mit einer Arbeit das Herz einer von ihm schon durch die Verbindung mit dem vergötterten Herder verehrten Frau. Sein Name war in Herders Hause mit Anerkennung genannt worden, und es mußte ihm ein deutlicher Wink sein, daß er diese Auszeichnung nicht durch eine Satire, sondern durch die erste kleine ernste Dichtung erreichte, die er nur wie eine Nebenarbeit mit leichterer Mühe geschrieben hatte. Immer näher rückte der Entschluß, den Satirenschreiber ganz abzuwerfen, um in echten Dichtungen Herzen zu rühren. Sein bis dahin ausschließlich männlicher Verkehr hatte ihm überhaupt die Rolle des Spottenden so lange erträglich sein lassen. Jetzt, da er zum erstenmal in die Nähe des weiblichen Elements kam, mußte die rauhe Außenschale hinsinken. Es war vor allem der Verkehr mit den Frauen und Mädchen von Venzka, dem benachbarten Gut der befreundeten Familie von Spangenberg, der tiefe Wandlungen in ihm hervorrief. Ja, von den Freunden wurde sogar sein ein Jahr später erfolgter Entschluß, seine eigenwillige Tracht aufzugeben und wieder zum Zopf zurückzukehren, auf die Rechnung Wilhelmines von Spangenberg gesetzt.
    Heinrich von Spangenberg, der jüngste Sohn der Familie, etwa zwölf Jahre jünger als Jean Paul, hat später über des Dichters Verkehr in Venzka folgende Schilderung gegeben: »Während seines Aufenthalts

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