Saemtliche Werke von Jean Paul
Venzka geführt. Mit einer Gesellschaft von Edelleuten reitet er nach Maußenbach herüber, wo man den geizigen Röper bei der jährlichen Erbhuldigung durch seine Bauern überraschen will. Röper verschanzt sich gewöhnlich hinter den dicken Spiegelscheiben seiner Fenster, um jeden Besuch, sobald er ihn durchs Fenster erblickt, abwehren zu können. Diesmal wird er aber beim Huldigungsakt im Hofe angetroffen und muß sich zur Bewirtung seiner ungebetenen Gäste bequemen. Als man ins Schloß tritt, findet man im Innern bereits einen Gast vor, der mit Beate in eifriger Unterhaltung begriffen ist: den Kammerherrn von Oefel, in dem Jean Paul alle üblen Eigenschaften des Hofmannes zusammenfaßt. Dummkopf und Intrigant, Schöngeist und Verführer, Narr und gefährlich. Er ist im Auftrag der Residentin von Bouse gekommen, um Beate zur Residentin einzuladen, bei der bekanntlich bereits Philippine sich aufhält. Die Residentin bewohnt eine halbe Stunde von Scheerau entfernt das sogenannte neue Schloß Marienhof, während Oefel das alte Schloß gemietet hat, das mit dem neuen durch geheime Gänge verbunden ist. Man sieht, daß dem Dichter hier die beiden Schlösser von Baireuth vorschweben, die er bei seiner Abschlußprüfung vor dem Baireuther Konsistorium gesehen hatte, ehe er die Universität Leipzig bezog. Mir der Einladung verbindet Oefel den selbstsüchtigen Plan, Beate, die sein Entzücken geweckt hat, in seine Nähe zu bringen. Frau Röper nimmt die Einladung für ihre Tochter an, Beate siedelt nach Marienhof über. Wir werden sehen, daß Beate im Gegensatz zu Philippine durch die Intrigen und Gefahren des Hoflebens ohne Schaden hindurchgeht.
Bei diesem improvisierten Fest in Maußenbach bittet der Rittmeister von Falkenberg den einflußreichen Kammerherrn, die baldige Aufnahme Gustavs in das Scheerauer Kadettenhaus zu befürworten. Oefel verspricht es und hält Wort. Schon vierzehn Tage darauf kommt Professor Hoppedizel den neuen Kadetten aus Auenthal abholen. Jean Paul faßt an dieser Stelle noch einmal Gustavs Gestalt im Bilde zusammen. »Gustav war jetzt in der Mitte des schönsten und wichtigsten Jahrzehnts der menschlichen Flucht ins Grab, im zweiten nämlich. Dieses Jahrzehnt des Lebens besteht aus den längsten und heißesten Tagen; und… so kocht sich an der Jünglingglut zwar die Liebe reif, die Freundschaft, der Wahrheit-Eifer, der Dichtergeist, aber auch die Leidenschaften mit ihren Giftzähnen und Giftblasen. In diesem Jahrzehnt schleicht das Mädchen aus ihren durchlachten Jahren weg und verbirgt das trübere Auge unter derselben hängenden Trauerweide, worunter der stille Jüngling seine Brust und ihre Seufzer kühlt, die für etwas Nähers steigen als für Mond und Nachtigall.« – Mit einer Zauberposse, als umgehendes Gespenst, führt sich Professor Hoppedizel in Auenthal ein. Die falsche Gespenstererscheinung hat auf Gustav die Wirkung, daß er in der nächsten Nacht den Geisterruf des Genius aus dem Garten zu hören vermeint. »Ein Eisberg fiel auf seine starrende Haut in der ersten Sekunde; aber in der zweiten glühte er wieder ab, gab seine Arme dem Tode und dem Freunde und schlug das Auge an einer Luftstelle unter dem Mondblenden ein, um etwas zu sehen. – Die zwei Welten waren nun für ihn in eine zusammengefallen; gefaßt erwartete er den Freund aus der Welt hinter den Sonnen und wollte an eine Ätherbrust stürzen mit einer von Erde.« Es war dasselbe Zusammenfallen der Welten, das Jean Paul selbst vor kurzem durchlebt hatte und das ihn in tagelangen Schauern gefangenhielt.
In den nächsten Tagen fährt Gustav mit Hoppedizel zur Stadt. Jean Paul bleibt in Auenthal auf Einladung Falkenbergs. »Ich sollte in seinem Schlosse so lange advozieren und satirisieren als ich wollte.« Aber im Frühjahr zieht er mit seiner aus Scheerau zurückgekehrten Schwester, an deren Stelle bei der Residentin von Bouse endgültig Beate getreten ist, in das Häuschen des Auenthaler Schulmeisters Wuz. Das Leben Wuz’, das als besondere Idylle dem Roman beigeheftet wurde, spielt von nun an mit seiner heiteren Behaglichkeit auch in die Begebenheiten des Romans hinein.
Während sich hier in Auenthal die Idylle entwickelt, macht Gustav im Kadettenhause schwere Zeiten durch. Er ist nicht für den Soldatenstand geschaffen. Sein Herz sehnt sich nach fruchtbarerer Betätigung als der zerstörenden des Krieges. Das Lärmende der militärischen Erziehung ist ihm verhaßt. »Zum Essen, zum Schlafen, zum Wachen wurden
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