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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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Himmel hob und dachte: »Wie bist du heute gerade an meinem Wiegenfeste so schön!« – Sogar der Stadtsenior und seine Tochter, welche beide Hochzeit machten – jener eine Wieder-Hochzeit mit seiner Seniorin, diese eine erste mit dem Waisenhausprediger –, schoben sich in den Zug seiner freudigen Gedanken als zwei neue Paare ein.
    Er wollte nicht nach St. Lüne, sondern er sagte: »Ich ziehe mich nur an zu einem kleinen Spaziergange.« –
    »Es ist ganz egal, wo ich heute gehe«, sagt’ er draußen und ging also auf den St. Lüner Weg. –
    »Umkehren kann ich allemal«, sagt’ er auf halbem Wege. – –
    »Noch närrischer aber wär’s, wenn ich zugleich Briefsteller und Briefträger würde und mein eignes Schreiben einhändigte«, sagte er und zog solches heraus. –
    »Und meiner guten Mutter ihres beantwortete ich bei dieser Gelegenheit mündlich«, fuhr er halb im Traume fort und voll größerer Liebe gegen sie, die ihm den holden nächtlichen durch die Nachricht des Geburttages zugeschickt. –
    – – Da er aber das Lüner Vorgeläute zum Kirchengeläute vernahm: so sprang er empor und sagte: »Nunmehr versalz’ ich mir den Weg nicht länger durch weitere Skrupel, sondern ich marschiere keck und entschlossen ins Dorf.«
    Und so zog er an der Hand Fortunens, hinter dem Nachlächeln der ganzen Natur, mit Träumen im Herzen, mit unschuldiger Hoffnung im neu aufblühenden Angesicht, in das Eden seiner Seele ein.
    Flamin hatt’ er nicht mitgebeten, um dem Stadtsenior den Hochzeitgast nicht zu nehmen, und weil er selber nicht wußte, daß er nach St. Lüne gelangen würde – und vielleicht auch, weil er seine phantasierende Aufmerksamkeit auf den schimmernden Morgen durch keine juristischen Akten-Neuigkeiten wollte stören lassen. Er ging überhaupt lieber mit einer Frau als einem Mann spazieren. Männer schämen sich beinahe nebeneinander anderer als stummer Empfindungen; aber weiblichen Seelen öffnen sich gern die verschämten Gefühle; denn sie decken das nackte Herz mit Mutterwärme zu, damit es nicht unter dem Enthüllen erkalte.
    Da Viktor unten ums Pfarrhaus ging, sah er oben selber zum Fenster auf sich herunter, in seiner zweiten Auflage für einige gute Freunde; aber der Wachs-Viktor mußte sogleich hinter eine spanische Wand getrieben werden, damit er den fleischernen nicht erschreckte. Der Empfang des letzten und das Jubelfest dabei braucht nicht lebhafter von mir beschrieben zu werden, als daß ich sage: der Mops wurde fast ertreten, der Gimpel sprang umsonst nach seinem Frühstück herum, die Pfarrerin brachte in ihrer anblickenden Freude auch dem Gaste keines, und die Kirche ging erst nach dem Doppel-Uso von einer halben Stunde an; daher diesesmal mehre Eingepfarrte als sonst betrunken hineinkamen.
    Berauscht, aber von Freude, kam Viktor auch hinein. Es ist nichts Angenehmeres, als eine Pfarrfrau zu sein und zum Mann, wenn sie ihm das geistliche Bäffchen umlegt, zu sagen: »Mach es heute länger, die Keule brät sonst nicht gar.« – Die häuslichen Kleinigkeiten ergötzten meinen Helden ebensosehr, als ihn die höfischen erzürnten.
    Er ging mit dem Pfarrer und der Pfarrerin, die alle Prozesse der Küche und Toilette summarisch und männlich abkürzte. Seine Duldung gegen die Fehler des geistlichen Standes hatte mit jener vornehmen stift- und tafelfähigen nichts gemein, welche aus höchster Verachtung entsteht, und die einen christlichen Priester so leicht wie einen ägyptischen erträgt: sondern sie kam aus seiner Meinung, daß die Kirchen noch die einzigen Sonntagschulen und spartischen Schulpforten des armen Volkes sind, das seinen cours de morale nicht beim Staate hören kann. Auch liebte er als Jüngling die Lieblinge seiner Kindheit.
    Viele Prediger suchen den Quintilian, der schlechte Gründe in Reden voran gestellet haben will, und den Cicero, der sie erst hintennach verlangt, zu vereinigen und postieren solche an beiden Orten; aber Eymann hielt gute Empfindungen für besser als schlechte Gründe und wand um den Bauern nicht Schluß-, sondern Blumenketten.
    Der obige Friseur wollte anfangs nicht in die Kirche, weils unter seinem Stand war, aber nachher konnt’ er nicht anders; denn wegen des fremden Hofherrn darin wurde Kirchenmusik gemacht.
    Es ist der einzige Fehler des Perückenmachers Meuseler, daß er zu gern singt und seine Kehle in alle Kirchenmusiken, die in seiner Perückendiözes gemacht werden, einmengt, zumal am heiligen Pfingstfest. Der Lüner Kantor

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