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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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um ihre Köpfe als der Superintendent selber, dieser Beherrscher der Gläubigen , zu welchem die meisten Kapläne sagten: Ihro Exzellenz. Hätt’ er sichs abgewöhnen können, daß er zuviel sang, log und soff, der Friseur: so hätten die meisten Geistlichen ihre Toupets – diese artistischen Hahnenkämme – bei ihm machen lassen; – so aber nicht.
    Da der Kaplan gern die Konfitüren des Schicksals – worunter falsche Haare gehören – mit etwas versäuerte und hopfte: so suchte er natürlicherweise sich die heutige Perücke, für deren falsche Touren er an Zahlungstatt echte abgeschnittene Haare seiner Leute gab, durch Skrupel zu versalzen, die er sich über das lange Wegbleiben Viktors machte. Er erinnerte: »Wir müssen ihn vor den Kopf gestoßen haben – er schreibt nicht einmal – er ist vielleicht mit meinem Sohne zerfallen – etwas hats gesetzt – und dann sieht uns der alte Lord auch nicht mehr von der Seite an – unsere Ratten halfen ihn auch mit austreiben.«
    Durch solche Elegien setzte er anfangs nur sich, und zuletzt selber den Zuhörer in Angst. Er war durch nichts zu widerlegen als dadurch, daß man etwas Neues, was ihn ängstigte, hervorsuchte. Die Wetterscheide seines Gewölkes oder sein Not- und Hülfbüchlein war diesesmal ein wahres Buch, des Zeitzer Tellers »Anekdoten für Prediger«, die er heute durch den Perückenmacher vom geistlichen Lesezirkel empfing. Geistliche, zumal die auf dem Lande, betreiben alles mit einer kleinlichen pünktlichen Ängstlichkeit, worein sie zum Teil ihr regierender Wauwau und Lindwurm von Konsistorium schreckt. In dieser Lesegesellschaft war nun ein Gesetz im Gange – Kommentatoren und Herausgeber halten es –, daß jedes Leseglied die Fett- und Dintenflecke und Risse, die es im Lesebuch anträfe, vorn immatrikulieren sollte in einem Flecken-Verzeichnis und Befundzettel samt der Seitenzahl »wo«. Ganz natürlich leugnete jeder, der nur halbwege ein ehrlicher Lutheraner war, die unbefleckte Empfängnis des Buchs; und die Sommerflecken wurden also alle ordentlich einregistriert, aber keiner bestraft. Bloß der gewissenhafte Hofkaplan lud als Wüstenbock die Strafe fremder Fehler auf, indem er eine ganze Nacht jedesmal nicht schlafen konnte, sooft er im Buche mehre Kleckse als im Sündenregister fand, weil er offenbar sah, er werde zum Adoptivvater des namenlosen Schmutzes gemacht und zum Käufer des Buchs. – – Tellers Anekdoten für Schwarzröcke waren nun gar völlig schwarze Wäsche: war nicht ein Eselohr am andern – Kleckse auf Klecksen – die Blätter ordentliche Korrekturbogen… und zwar unmetaphorisch gesprochen? – Eymann hob an: »Und wenn mirs Geld zum Fenster hereinflög’….«
    Da flog Viktors Brief zum Fenster herein und sein – Verfasser zur Tür.
    Freilich aber wars so: Viktor hatte vor schönem Wetter schöne Träume, vor elendem erschien ihm der Satan mit seiner Sippschaft. Das schöne Sonnabend-Wetter und der Gedanke an den Geburttag Klotildens und des Nachsommers gaben ihm einen Morgentraum, der ein Theater war, in welchem bloß ihr holdes Bild gespielt. Eine Person, die er hinter dem Schleier des Traums gesehen, stand für ihn den ganzen nächsten Tag in einem zauberischen Widerschein. Bei ihm irrten die Träume – diese Nachtschmetterlinge des Geistes – wie andre über die Nacht und den Schlaf hinaus; wenigstens vormittags liebt’ er jede Person im Wachen fort, die er im Traum zu lieben angefangen. Diesesmal floß gar umgekehrt die wachende Liebe in die träumende hinein, und die wirkliche Klotilde fiel mit der idealen in ein so leuchtendes Heiligenbild zusammen, daß einer, der seinen Traum weiß, sich ins übrige leicht findet. Deswegen muß der Traum den Lesern gegeben werden, den poetischen Lesern besonders – für andere möchte ich eine Ausgabe der Hundposttage veranstalten, wo er heraus wäre; denn unpoetische, die selber keine haben, sollten auch keine lesen.
    Euch aber, euch guten, selten belohnten weiblichen Seelen, die ihr ein eignes zweites Gewissen neben dem ersten für reine Sitten habt – deren einfache Tugend in der Nähe zu einem Kranze aus allen Tugenden aufblüht, wie Nebel-Sterne durch Gläser in Millionen zerfallen – die ihr, so veränderlich in allen Entschlüssen, so unveränderlich im edelsten, aus der Erde geht mit verkannten Wünschen, mit vergessenem Werte, mit Augen voll Tränen und Liebe, mit Herzen voll Tugend und Gram – euch teuern erzähl’ ich gern den kleinen Traum und mein

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