Saemtliche Werke von Jean Paul
Herzog sich verpflichtet hatte, heran. Gottfried hatte 1792, August 1794 die Universität bezogen. Wilhelm und Adalbert waren ebenfalls an der Reihe. Die Kosten waren erheblich, und Herders sahen sich auf einmal in arger Bedrängnis. Zu allem Unglück ließ sich das Blatt mit den Zusicherungen des Herzogs nicht finden. Angst und Aufregung stiegen hoch im Herderhaus. Schließlich wurde es gefunden. Nun gab es Unterhandlungen, Erbitterung, Zurückweisungen. Die energische Frau Karoline nahm, wie immer in praktischen Angelegenheiten, das Wort. Mutterangst um ihre Söhne, Bitterkeit um ihren Mann gab ihren Worten eine unangenehme Schärfe. Man ist im Herderhaus allmählich überzeugt, daß man durch leere Versprechungen an der Nase geführt und um das sichere Glück in Göttingen betrogen worden ist. Die Gegner machen den Einwand, daß der Herzog, da er die Mittel hergeben soll, bei der Berufswahl der Söhne hätte zu Rate gezogen werden müssen. Die Eltern hätten den Lebensweg der Söhne allein bestimmt, jetzt, da sie Geld brauchten, wende man sich an den Herzog. Eine leere Ausflucht, denn in dem Übereinkommen ist nichts davon enthalten, daß der Herzog sich ein Mitbestimmungsrecht vorbehalten habe. Man würde es ihm vielleicht nicht einmal eingeräumt haben. Der Fall liegt ganz klar. Es handelt sich um beträchtliche Summen. Gottfried kostet jährlich 350 Taler, Adalbert 300, Wilhelm und August haben für ihre Schweizer Reise und Aufenthalt 1250 Taler gebraucht. Die Schwierigkeit ist die, daß das Geld in den herzoglichen Kassen nicht disponibel ist. Herder ist durch die Angelegenheit völlig gebrochen. »Ich befürchte oft die unangenehmsten, traurigsten Folgen«, schreibt Karoline. »Gewiß ist es, daß mein Mann physisch diesen Zustand nicht mehr lange ertragen kann.« Goethe ist tief bewegt und verspricht Hilfe. Die Herzogin Luise, stets die Zuflucht und Hoffnung der Herders, will alles tun, was in ihren Kräften steht.
Der Herzog macht einen Vergleichsvorschlag: er will für Gottfried die Kosten der Promotion bezahlen und August, der das Bergfach studiert, in einer seiner Kanzleien unterbringen, Adalbert auf Gütern im Eisenachschen verwenden. Karoline wagt diese Vorschläge nicht einmal ihrem Mann mitzuteilen. Sie wendet sich an die Herzogin in einem Brief, der drohend anklagende Töne enthält. Herder hätte sich in Erfüllung der Abreden aufgerieben, hätte »seine Pflicht mehr als er durfte erfüllt«. Seine Durchlaucht werden nun auch von ihrer Seite den Kontrakt erfüllen. Noch deutlicher schreibt sie an Goethe. »Dulden Sie nicht, daß der Herzog sein Versprechen so schnöde brechen will. Hier ist es Ihre Pflicht, des Herzogs Ehre und Moralität zu retten.« Sie pocht mit Ungestüm auf ihr Recht. »Wir brauchen Geld und müssen es vom Herzog erhalten.« Kein Zweifel, Karoline hatte die Tonart überspannt. Aber es wäre die Pflicht der Überlegenen gewesen, Unrecht gutzumachen und die Äußerungen der gereizten Frau zurechtzurücken. Statt dessen kam von Goethe ein Brief, der wie ein Peitschenschlag ins Gesicht wirkt: Herders hätten die rechte Zeit der Erinnerung beim Herzog versäumt, da sie über die Söhne bestimmten, ohne ihn zu fragen. Ein Fürst, der für fremde Jünglinge die Kosten der Bildung trage, verlange ein Recht auf Mitsprechen. Die revolutionären Familiengesinnungen der Herders erleichtern nicht eben des Fürsten Wohlwollen und Hilfe. Er erwähnt »Ihren Wahn, als wenn Sie im vollkommensten Rechte stünden, Ihre Einbildung, als wenn niemand außer Ihnen Begriff von Ehre, Gefühl von Gewissen habe«. »Der Schaden liegt viel tiefer.« Und nun kommen jene grausamen Sätze, die um so grausamer sind, da sie wirklich in Herders tragische Einstellung hineinleuchten, aber mit harter, liebloser Hand: »Ich bedaure Sie, daß Sie Beistand von Menschen suchen müssen, die Sie nicht lieben und kaum schätzen, an deren Existenz Sie keine Freude haben und deren Zufriedenheit zu befördern Sie keinen Beruf fühlen . . : Freilich ist es bequemer, in extremen Augenblicken auf Schuldigkeit zu pochen, als durch eine Reihe von Leben und Betragen das zu erhalten, wofür wir doch einmal dankbar sein müssen.« Und jener schonungslose Hieb für Karoline: »Glauben Sie doch, daß man hinter allen Argumenten Ihr Gemüt durchsieht.«
Die Geldangelegenheit wurde notdürftig geschlichtet. Für Gottfried erhielt Herder 600 Taler, für August, Rinaldo und Emil vier Jahre lang jährlich je 200 Taler. Diese Summen
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