Saemtliche Werke von Jean Paul
sondern der unverwelkbare Kranz, welchen Beifall und Achtung von Wieland und Herder Ihnen wand. Wieland hat vieles im »Hesperus« und »Quintus« ausnehmend gefallen; er nennt Sie unsern Yorik, unsern Rabelais. Das reinste Gemüt, den höchsten Schwung der Phantasie, die reichste Laune, die oft in den überraschendsten, anmutigsten Wendungen sich ergießt: dies Alles erkennt er mit innigster Freude in Ihren Schriften.
»Vor einigen Tagen lasen wir in Gesellschaft das Programm vom Rektor Freudel. Sonst wirken Satiren, auf mich wenigstens, beschränkend. Mit kaltem Sinn schwingen die meisten ihre Geißel willkürlich, oder der gereizte Affekt bewaffnet ein Vorurteil gegen das andere – Ihrem Blicke hingegen hat sich ein weiter Horizont eröffnet; Ihr Herz achtet jedes Glück der Empfindung, jede Blume der Phantasie. Es ist eine helle Fackel, mit der Sie die Torheiten und Unarten beleuchten, und Scherz, Gefühl und Hoffnung folgen stets diesem Lichte Ihres Geistes. – Sie finden hier noch mehrere Freunde, deren Namen ich Ihnen auch nennen muß. Herr von Knebel, der Übersetzer der Elegien des Properz in den Horen, Herr von Einsiedel und von Kalb. Ihre Schriften gehören zu ihrer Lieblingslektüre, die noch lange ihr Lesepult zieren. Ja wir hoffen, daß bei dieser Empfänglichkeit für Welt- und Menschenkenntnis und diesem Talent, seine Individualitäten zu zeichnen, Sie uns noch viele Werke Ihrer Feder schenken werden. – Leben Sie wohl, beglückt durch die Freuden der Natur, erhöht durch die Genüsse der Kunst, und machen Sie uns mit Idealen bekannt, die den Dichter ehren und den Leser veredeln werden!«
Jean Paul war wie von einem elektrischen Schlage berührt. Umgehend übersendet er den »überraschenden« Brief an Otto, will ihn aber in einigen Stunden wiederhaben. Fieberhaft arbeitet er nun am Schluß des »Siebenkäs«. Der arme Advokat lernt auf der Baireuther Fantaisie seine Natalie kennen, das große Leben berührt ihn. »Der Mai wird mich nach Leipzig und Weimar in freundschaftliche Arme führen«, schreibt Jean Paul schon Anfang April an Emanuel. Weit ist seine Seele den neuen Freunden geöffnet. Minette zieht in sein Herz. Oerthel lockt von Leipzig her. Allem voran aber steht der geplante Besuch in Weimar, wo die Titanen dieser Erde ihn sehnsüchtig erwarten. Im Mai schreibt Charlotte von Kalb wieder: »Keiner weiß und darf es wissen, daß Sie mir geschrieben und ich an Sie als mein Mann, der auch jetzo trauret, daß er vergeblich Sie erwartet hat, in acht Tagen muß er verreisen. Keiner weiß als ich, daß wir Sie hier in Weimar erwarten dürfen; doch ist es fast das Zeichen unseres Grußes: Ist Richter noch nicht hier? Sind Sie krank oder haben Sie nicht meinen Brief vom 1. oder 2. April erhalten?«
Immer dringender wird der Ruf, der ihn nach Weimar ziehen will. »Zwei Dritteile des Frühlings sind vorüber, wie ich eben im Kalender sehe, die Bäume stehen noch unbelaubt im schönen Park, die Nachtigall hat noch nicht gesungen, und – Sie waren noch nicht hier. Alle Zeichen des Frühlings bleiben aus! Welches erwartet die andern? Er könnte kommen mit edlem Reiz, der Bäume Pracht, der Blüten Duft, der Vögel Liebgesang, der Lüfte lindem Fächeln – für Ihre Freunde war er nicht gewesen, wenn Sie uns nicht erscheinen… Iffland ist fort, und Wieland reist in einigen Tagen nach der Schweiz, im September will er wieder hier sein. Herder, Knebel, Einsiedel sind hier, die einer unbefangenen hohen Freude über die Vollkommenheit eines andern fähig sind.«
Hier ist es zum erstenmal ausgesprochen. Wer war in Weimar keiner »unbefangenen hohen Freude über die Vollkommenheit eines andern« fähig? Goethe! Und das ist der tiefste Grund, aus dem alle diese Briefe steigen: Man hat einen neuen großen Dichter, und will ihn heranziehen, um ihn gegen Goethe auszuspielen. Jean Paul ahnt nichts von den neuesten Vorgängen in Weimar. Und wenn er von dem Bruch mit Goethe und Schiller gehört hätte, so würde er vielleicht Bedenken gehabt haben, sich dieser unheilvollen Atmosphäre anzuvertrauen. Gewiß, er gehört zu denen, die ihn rufen und nicht zu dem Gewaltigen, der auf dem Weimarer Parnaß thront. Wieland steht ihm näher, und am nächsten der alte Abgott seines Herzens: Herder! Und doch wäre es ihm vermessen erschienen, sich gegen Goethe ausspielen zu lassen. Das hätte er unter allen Umständen vermieden.
Endlich sagt er zu. »Ich komme nicht als ein bescheidener Mann, sondern als ein demütiger
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