Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
Vom Netzwerk:
nach Weimar«, schreibt er. »Ach ich bin so wenig und komme vor Herder!« Jetzt, da die Reise Wirklichkeit wurde, trat doch Herders Gestalt allen andern voran. Es wäre nur natürlich gewesen, wenn er nach dem enthusiastischen Briefwechsel mit Charlotte auch vor der persönlichen Begegnung mit ihr ein leises Bangen verspürt hätte. Aber kein Gedanke kam ihm, daß seine persönliche Gegenwart nicht halten könnte, was seine Werke versprochen. Allen den andern, die doch an Titanennähe gewohnt waren, trat er als Sieger entgegen. Nur Herder gegenüber hatte er Furcht, oder besser: Ehrfurcht.
     
    Jean Paul konnte also nicht ahnen, daß er geradeswegs den Feinden Goethes in die Arme lief. Vor seinem Eintritt in Weimar müssen wir uns klarmachen, wie dort die Dinge lagen.
    Schon während Herders italienischer Reise war der erste Mißklang in das Verhältnis der großen Männer gekommen, aber noch jahrelang bildeten Goethe, Schiller und Herder ein Triumvirat, dessen Geschlossenheit undurchbrechbar erschien. Herder wurde zu lebhafter Mitarbeit an den »Horen« herangezogen, und es war nur natürlich, daß er mehrere seiner schönen Arbeiten der befreundeten Zeitschrift übergab. In den Anschauungen der drei Großen schien völlige Übereinstimmung obzuwalten. Mit Entzücken las Schiller in Herders Humanitätsbriefen seine Darstellung der griechischen Plastik. »Das ist das so sehr Auszeichnende darin (und was auch schon das Prädikat der Humanität eigentlich ausdrückt), daß Sie Ihren Gegenstand nicht mit isolierten Gemütskräften auffassen, nicht bloß denken, nicht bloß anschauen, nicht bloß fühlen, sondern zugleich fühlen, denken und anschauen, das heißt mit der ganzen Menschheit aufnehmen und ergreifen.« Eigentlich hätte hier schon der tiefe Gegensatz der Meinungen zutage treten müssen. Das Griechentum Herders war ein anderes als das Goethes und Schillers. Die beiden Dioskuren sahen in Hellas die der europäischen Menschheit aufgestellte ewiggültige Gesetzestafel. Herder sah auch im Griechentum nur die Einmaligkeit einer ungeheuren Blütezeit, und hatte damit von seinem Wesen viel mehr erfaßt als die beiden. In dem Schluß der »Vorschule der Ästhetik« hat Jean Paul ausführlich über Herders griechische Anschauung gesprochen, wie schon das erste Buch der »Vorschule« das Griechentum im Herderschen Sinne umgreift. »Griechenland war ihm das Höchste«, schreibt er im Schluß der »Vorschule« unter dem Eindruck von Herders Tod, »und wie allgemein auch sein episch-kosmopolitischer Geschmack lobte und anerkannte – sogar seines Hamanns Stil – so hing er doch, zumal im Alter, wie ein vielgereister Odysseus nach der Rückkehr aus allen Blütenländern, an der griechischen Heimat am innigsten. Er und Goethe allein (jeder nach seiner Weise) sind für uns die Wiederhersteller oder Winkelmanne des singenden Griechentums, dem alle Schwätzer voriger Jahrhunderte nicht die Philomelenzunge hatten lösen können.«
    »War er kein Dichter,« sagt er einige Seiten vorher von dem vergötterten Freund, »so war er bloß etwas Besseres, nämlich ein Gedicht, ein indisch-griechisches Epos, von irgendeinem reinsten Gott gemacht.« An diesen Gedanken anknüpfend kann er fortfahren: »Herder war gleichsam nach dem Leben griechisch gedichtet… Daher kam seine griechische Achtung für alle Lebensstufen.« Hiermit hat er die Griechenliebe Herders am tiefsten erfaßt. Für Goethe und Schiller bedeutete Griechentum ein künstlerisches Programm. Herder aber war Grieche seinem innersten Wesen nach, ohne seine Achtung »für alle Lebensstufen« zu verlieren. Es war die Universalität seines Geistes, die ihn davor bewahrte, und diese Universalität führte den ersten Konflikt mit Schiller herbei. Herders Anschauung von der griechischen Plastik kam von seinem geschichtlichen Erfassen des Griechentums her, nicht von systematischer Ästhetik wie bei Schiller. In dem Aufsatz »Iduna oder der Apfel der Verjüngung«, den Herder für die »Horen« beizusteuern gedacht hatte, offenbarte sich der Gegensatz der Meinungen. In diesem Aufsatz setzt Herder, seiner geistigen Einstellung gemäß, auseinander, wieviel für geistige Entwickelung und für die Dichtung eines Volkes eine dem eigenen Sprachgeist und dem eigenen Volkstum entwachsene, selbsterlebte Mythologie bedeutet. Darin beruhte gerade die Stärke der Griechen, daß ihre Kultur aus dem Schatz alter Volksvorstellungen schöpfen könne. Uns Deutschen ist der Zusammenhang mit der

Weitere Kostenlose Bücher