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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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Sinne sich jemals uns nähern wird, ob er gleich im Theoretischen viele Anmutung zu uns zu haben scheint.« –
    Einen Tag, bevor Goethe diese Äußerung niederschrieb, hatte Jean Paul Weimar verlassen. »Diese dreiwöchentliche Stelle in meiner Lebenslaufbahn ist eine Bergstraße, die eine neue Welt in mir anfängt«, heißt es in dem letzten Brief an den Hofer Freund. »Wenn ich nur die Hälfte meiner hiesigen Geschichte so lange behielte, bis ich sie in Dein Gedächtnis übergeschüttet hätte!«
    Die Briefe an Otto geben zwar die äußeren Umrisse seiner Weimarer und Jenaer Tage, aber Jean Paul hatte selbst die Empfindung, daß das Eigentliche nur in langen Gesprächen gesagt werden dürfe. »Alles, was schönere und mehre Saiten und Nachklänge in Deiner und meiner Seele findet, sag’ ich Dir mündlich: weil gerade das Schlechteste sich am kürzesten sagen läßt – also mündlich das Andere.«
    Dieses in den Briefen Verschwiegene konnte sich nur um seine endgültige Entscheidung für Goethe oder für Herder drehen. Wir wissen, wie diese Entscheidung ausfallen mußte. Goethe selbst bemerkte bereits, daß es ihm nicht gelungen war, den Fremdling der Gegenseite abspenstig zu machen. Er hat es gewollt. Irgendeinem ihm fremden Dichter hätte er nicht mit dem Aufgebot seiner ganzen lebendigen Vortragskunst ein Gedicht von sich vorgelesen. Und auch Schiller hatte es entschieden darauf abgesehen, auf Jean Paul Eindruck zu machen. Der Eindruck, den Goethe und Schiller in Jean Paul erweckten, war nach seinen brieflichen Äußerungen in der Tat stark, aber er bekam das Vorzeichen, das erst über den Wert und Unwert eines Eindrucks entscheidet, doch von der andern, Goethe abgekehrten Seite. Die erschütternde Gestalt Herders, der seine eigenen Werke verachtet, daß »es einem das Herz durchschnitt«, siegte über die Dioskuren, die selbstherrlich der Entwickelung ihren Weg vorschreiben zu können glaubten. Goethe bemerkte, daß die seltsame Erscheinung, die ihm wohl ein Euphorionerlebnis hätte verschaffen können, ihm entglitt. »So zweifle ich, ob Richter im praktischen Sinne sich uns jemals nähern wird, ob er gleich im Theoretischen viele Anmutung zu uns zu haben scheint.« Dieses abschließende Wort drückte den inneren Kampf in Jean Paul aus und seine Entscheidung.
    Was war nun das Eigentliche, das Jean Paul von Goethe und Schiller abrücken ließ? Nichts anderes als die Kunstanschauung, die uns in jenem Brief Schillers auf Herders letzten Horenbeitrag begegnet ist. Die Poesie geht nicht aus dem Leben, aus der Zeit, aus dem Wirklichen hervor, hatte Schiller damals geschrieben. Der deutsche dichterische Geist könne durch die Berührung mit der Wirklichkeit nur beschmutzt werden. Es ist kaum denkbar, daß Herder dem jüngeren Freunde dieses Schreiben Schillers nicht gezeigt, daß er nicht zum mindesten ihm die Kunstanschauungen Schillers in diesem Sinne auseinandergesetzt hat. Er hatte noch mehr getan: ihm Briefe Hamanns zu lesen gegeben und ihm bei dieser Gelegenheit sicherlich seine tiefgründigen Einwürfe gegen das kantische System auseinandergesetzt, worin Hamann ihm so restlos beipflichtete, ja worin er ihm entschieden vorangegangen war. »Hier sende ich Hamanns Schriften wieder,« schreibt Jean Paul an Karoline Herder, »in denen wie auf den Alpen alle Zonen und Jahreszeiten nahe beieinander liegen.« Es war die Universalität des Geistes, mehr noch des Herzens, die ihn bei Hamann wie bei Herder wieder von neuem aufs tiefste ergreifen mußte, neben der ihn die formale, lebenabgewandte Kunstauffassung Goethes und Schillers nur abstoßen konnte. Bei allen den Weimarer Freunden, von Herders bis zu Corona Schröter, von Charlotte bis zu Knebel, hatte er die gleiche Meinung, die gleiche Empörung über Goethes Kälte gefunden. Kein Wunder, daß diese Auffassung immer mehr von ihm Besitz ergriff.
    Knebel hatte versprochen, ihm seine Übersetzung der Elegien des Properz nach Hof zu senden. Am 3. August schreibt Jean Paul ihm, daß er von dem Buche geträumt hätte. Es wäre noch nicht da. »Jetzt indes braucht man einen Tyrtäus mehr als einen Properz.« Das ging gegen die weltabgewandte Haltung Goethes, zum mindesten wurde dieser Satz von den Weimarer Freunden dahin gedeutet. Schon am 10. August antwortete Goethe mit einem Beitrag für die Horen: »Der Chinese in Rom«.
    Einen Chinesen sah ich in Rom: die gesamten Gebäude
Alter und neuerer Zeit schienen ihm lästig und schwer.
Ach! so seufzt’ er, die Armen!

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