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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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großen Welt noch nicht als Individuum oder als Charakter in seinen Werken vorhanden sind, wie Charlotte von Kalb, da wird er sie bei der nächsten Gelegenheit seinem Werk einverleiben. Er ist es gewohnt, über Minister und Kammerherren in seinen Romanen zu verfügen. So müssen sie auch in seinem Leben dastehen. Er wird mit dem Regierungspräsidenten von Völderndorf befreundet und faßt ihn sofort als Typus eines idealen Staatsmannes in sein Leben ein, wie er es in der Folgezeit noch mit mehreren machte. Er scheut keine Mühe, alle Personen der herrschenden Kaste an sich heranzuziehen und zu halten. Unter dem ausgebreiteten Briefwechsel leidet seine Produktion, und doch führt er ihn fort, zum Teil mit Personen, die er nicht gesehen hat oder denen er erst in Jahren wieder flüchtig begegnen wird. Es ist kein Zweifel, daß das verdrängte Wunschbild des Herrschers von ihm seit der Weimarer Reise mehr und mehr Besitz ergreift und daß ein großer Teil seiner Arbeitsenergien in die Scheinbefriedigung dieses Wunschbildes abströmt.
    Aber die Psychoanalyse rührt doch nur an den mechanischen Ablauf der äußeren Maschinerie der Triebe, nicht an den Kern der metaphysischen Persönlichkeit. Gewiß können wir mit ihrer Methode die Entwickelung Jean Pauls auf einige interessante Formeln bringen, aber in Wirklichkeit wurde doch die Erscheinung Jean Pauls aus tieferen Gründen als aus seinem Triebleben gespeist. Mochte ein verdrängtes Wunschbild der eigenen Person einige Seiten seiner Dichtung schärfer hervorkehren, so war es doch ein metaphysisch bestimmtes Idealbild, das er der deutschen Jugend vorhalten wollte, wenn er seine Helden zur höchsten menschlichen Aufgabe: zum Herrscherberuf, hinanführte. Und die jahrelange Entspannung nach dem Weimarer Aufenthalt war ein notwendiger Rückschlag nach der gesteigerten Produktion der letzten Jahre. Wohl hatte er ein erobertes Reich zu repräsentieren und auszubauen, aber zugleich legte er in diesen Jahren, da er nach allen Richtungen hin die Fäden spann, den Grund zu seiner größten und umfassendsten Dichtung. Aber viel mehr noch: alles, was er bis dahin geschaffen hatte, stand ja nicht um seiner selbst willen da. Immer wieder betonte er es, und zuletzt noch in seiner großartigen Apostrophe zu dem Geist der Liebe im »Jubelsenior«, daß er mehr und Höheres erstrebte als nur Dichterwerk, daß er Menschen erlösen und Leid mindern wollte. Noch eben hatte das »Kampanertal« ganz im Dienst dieser Aufgabe gestanden. Mochten sich vorwiegend Frauen der Adelsklasse an ihn herandrängen, auch sie brauchten ihn und bedurften seines klärenden Wortes und seiner lösenden Persönlichkeit. Für die alten Höfer Freundinnen sorgte er nicht weniger als für diese entfesselten Naturen. Auch der Barbiergehilfe Roltsch hatte ja nicht vergeblich an ihn geschrieben, und er erlebte wohl überhaupt die größte Freude, wenn Mühselige und Beladene ihm nahten. Ein Konrektor Fischer überbrachte ihm ein zerlesenes Exemplar des »Hesperus«, das drei Gefangenen auf den preußischen Festungen Glatz, Spandau und Magdeburg, Namens Leipziger, Contessa und Serboni, Stunden der Tröstung und Rührung verschafft hatte. Ein Königsberger Ehepaar, das das einzige Kind verloren hatte, bat ihn um ein Wort des Trostes und schrieb, daß sie schon während des Schreibens an ihn und in der Aussicht auf den Empfang eines Blättchens von seiner Hand sich unendlich beruhigt fühlten. Für ein von einem Soldaten des Herrn von Kropff verführtes Mädchen verwandte er sich und erwirkte wenigstens die Zahlung von Alimenten. Das alles geschah im Sinne seines Dichtertums, wie er es erstrebte. Zum inneren Erlebnis hätte er der Fülle seiner ganzen Beziehungen nicht bedurft, ja er war sich darüber vollkommen klar, daß er durch diese persönliche Inanspruchnahme auch von seiner Arbeitskraft opferte. Dennoch gab er sich immer wieder hin, eine höhere Mission in sich fühlend als eine bloß literarische.
    Durch Julie von Krüdner hatte er ihre Freundin Henriette von Schuckmann, die Schwester des späteren preußischen Ministers, kennengelernt. War es zunächst nur die Verehrung der gemeinsamen Freundin, die die beiden zusammenführte, so knüpfen sich doch bald auch starke persönliche Verbindungen an. Henriette war eines jener unglücklichen alternden Mädchen, wie Jean Paul gerade eines im »Jubelsenior« dargestellt hatte. Auch ihr, da sie zu ihrem sterbenden Vater nach Mecklenburg fahren mußte, sandte der Dichter

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