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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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schüttelte aber die Bluttat Sands, der bekanntlich Kotzebue ermordete, von sich ab. »Der Unseligst-Verblendete raubte ein doppeltes Leben – das fremde und seine, denn jeder Mörder ist Selbstmörder – nicht für Handlungen, sondern für Meinungen, und stellte so sich selber zu etwas Schrecklichern als zu einem Inquisitionstribunal auf; denn er war zugleich Richter… Ankläger, Zeuge und Scharfrichter und strafte am Leben sein Opfer im Winkel, ohne Defensor und Verhör, ohne Aufschub, ohne die Fristen, welche dem größten Übeltäter die Menschlichkeit gern bewilligt zur Abrechnung mit den Seinigen und sich, und unter dem Mitgefühl eigner Schuldlosigkeit und fremder Sündengewalt.«
    Die eigentliche Schilderung Charlotte Cordays ist in ein Gespräch zwischen dem regierenden Grafen von — ß, seinem Ministerpräsidenten und Jean Paul eingekleidet. Reiner und größer hätte wohl die bloße Schilderung der heldischen Mörderin allein gewirkt, aber Jean Paul legte Gewicht darauf, jede solche Schöpfung in eine, in seine ganze Welt einzufügen. Und dieses »Halbgespräch am 17. Juli«, wie er es nennt, enthält des Bedeutenden genug, um sich selbst zu rechtfertigen. Von der Rechtmäßigkeit, für große Zwecke sein eigenes Leben gegen ein fremdes einzusetzen, wird hier gesprochen, und Jean Paul nimmt für große Ziele dieses Recht in Anspruch. Denn: »Wir wollen wirklich etwas; wir wollen die Stadt Gottes nicht bloß bewohnen, sondern auch vergrößern.« Und nun spricht er von jener Erscheinung, die damals zuerst die Augen der Welt auf sich lenkte: von Napoleon Bonaparte, in dem er die Revolution sich anheben fühlte, die »geistiger und größer als die politische und nur ebenso mörderisch«, im Herzen der Welt bereits unhörbar schlug. Was er mit jener Briefstelle meinte, wird hier offenbar, wo er von ästhetischen und sittlichen Genies spricht, die beide allein die Welt ändern und der fortlaufenden Verflachung wehren. »Alle Größen und Berge in der Geschichte, an denen nachher Jahrhunderte sich lagerten und ernährten, hob das vulkanische, anfangs verwüstende Feuer solcher Übermenschen, z. B. Bonaparte Frankreich durch Vernichtung des nur durch Schwächen vernichtenden Direktoriums, kühn auf einmal aus dem Wasser. Allerdings häufen sich auch leere Korallen endlich zu Riffs und Inseln zusammen; aber diese kosten ebenso viel Jahrhunderte, als sie dauern und beglücken.« Der Feuerreformator aber muß »die zeugenden Jahrhunderte des trägen Werdens zum Vorteile der genießenden durch eine Kraft ersetzen, welche jedesmal fällend und bauend zugleich ist«. Auch in späteren Jahren, als Napoleon Deutschland überrannt hatte und geknechtet hielt, bewahrte sich Jean Paul etwas von dem Sinn für die große Sendung des Eroberers. Gewiß stand der Dichter zu seinem Volk, und niemand konnte den Befreiungskrieg mit glühenderer Seele verfolgen als er. Aber er behielt doch immer, im Gegensatz zur Romantik, den Sinn für das Neue und Heilsame, das Napoleon Europa wie Deutschland gegeben hatte. Wir werden bei seinen politischen Schriften noch darauf zu sprechen kommen.
    Von der ersten Jugend an war Jean Paul im Zweifel gewesen, ob ihn das Schicksal zum Dichter oder zum Philosophen bestimmt habe. In der Tat verfügte er über eine ungemeine philosophische Bildung. Ganz entschieden waren die starken philosophischen Interessen dem Dichter Jean Paul hinderlich. Immer wieder mengten sich philosophische Gedankengänge in seine Pläne, und wenn man verfolgt, was alles er in seinen »Titan« hineingeheimnissen wollte, kann man wohl einen Schrecken bekommen über die Gefahren, denen diese größte Dichtung Jean Pauls ausgesetzt war. Gott sei Dank kam er bald auf den Gedanken, alles Philosophische und Satirische in besondere Supplementbände zu tun, so daß der eigentliche Roman von dem Beiwerk nicht belastet wird. Es war ein Glück, daß sich diese Form ihm allmählich herausschälte. Dem Plan nach sollte sogar seine große Auseinandersetzung mit Fichte, in dem er mehr und mehr die äußerste Zuspitzung des kantischen Denkens sah, in den »Titan« einbezogen werden.
    Ins Jahr 1799 fiel der bekannte Atheismusstreit, der Fichte seine Jenaer Professur kostete. Trotz aller Gegnerschaft konnte Jean Paul in diesem Streit, der um die Freiheit der deutschen Wissenschaft ging, natürlich nur Fichtes Partei ergreifen. »Er schmerzt mich, da er edel ist«, schreibt er am 4. Juni an Jacobi, »und hülflos und da der bleiche

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