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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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Anlaß, an den Tatsachen zu zweifeln, da sie durchaus in den Rahmen der Zeit passen, in der Fürsten mit ihren Untertanen beliebig schalten zu können glaubten. Zum Glück ging Emanuel auf den Vorschlag sofort ein und nahm Herders Sohn zu sich. Ein Stein fiel den Eltern von der Seele, aber das Verhältnis der beteiligten Personen zueinander besserte dieser Ausgang der Sache naturgemäß nicht.
    Unterdessen hatte sich Jean Paul intensiv mit Fichtes Schriften beschäftigt. Der Briefwechsel mit Jacobi zeigt, wie tief dieses Studium ging. In Fichte sah er den fundamentalen Gegensatz zu seinen eigenen Anschauungen, und zwar bis zu dem Grade, daß, wenn er einen Gegensatz zu der eigenen Person in seinem Werk darzustellen hatte, er ihn gar nicht anders denn als Fichteaner darstellen zu können glaubte. Die ganze Weimarer Zeit über beschäftigte er sich mit dem »Titan«. Schon zwischen Siebenkäs und Leibgeber hatte es Gegensätze der Weltanschauung gegeben. Während der Armenadvokat Jean Pauls eigene Weltanschauung vertritt, war der schweifende Leibgeber Atheist und Leugner der Unsterblichkeit. Dieser Gegensatz mußte sich jetzt unter den vielen philosophischen Eindrücken vertiefen. Leibgeber sollte ja in der Gestalt des Schoppe im »Titan« zu neuem Leben erstehen. Nichts lag näher, als ihn zum Fichteaner zu machen. Die kühne Vermessenheit, mit der Fichte das Ich zum Mittelpunkt der Welt macht, mochte diesem in sich selbst ruhenden schroffen Charakter am besten anstehen. Auch Schoppe alias Leibgeber gehörte ja in seiner »Einkräftigkeit« zu jener titanischen Welt, die in dem Roman gegeißelt werden sollte. Und auch Fichte, dessen Persönlichkeit Jean Paul nur anerkennen konnte, war ein Titan im Jean Paulschen Sinne. In seiner stolzen, folgerichtigen »Einkräftigkeit«, wie Jean Paul es nannte, mußte auch er ad absurdum geführt werden, an seiner Einsamkeit zerschellen. Aber in ihm war ein Idealcharakter darzustellen, wie er in Fichte vor Jean Paul vielleicht erst während des Atheismusstreites aufwuchs. Alles, was ihm an Fichte verehrungswürdig erschien, das sollte in Leibgeber oder Schoppe zur Gestalt werden. Dazu aber war es nötig, erst einmal alles abzustoßen, was ihm an Fichte unausstehlich erschien. Diesem Zweck diente die Schrift » Clavis Fichtiana seu Leibgeberiana «, die später dem »Komischen Anhang zum Titan« beigegeben wurde, zunächst aber, Ostern 1800, als selbständiges Buch erschien.
    Man kann vom wissenschaftlichen, d. h. kantischen Standpunkt aus die Gedankengänge Jean Pauls wie Herders in dessen Metakritik als naiv und unbeträchtlich abtun. Aber dieser Standpunkt, die kritische Scheidung in Erkennen, Fühlen und Wollen wurde ja gerade als rationalistisch abgelehnt. Wenn Kants erkenntnistheoretische Begriffsetzung für ein Jahrhundert siegte, so waren damit die Einwände seiner Hauptgegner noch nicht widerlegt, vor allem nicht Hamanns Metakritik, der den kantischen Kritizismus als durchaus künstlichen Bau aus dem Wesen der Sprache heraus erklärt. Man konnte sich wohl ein Jahrhundert hindurch an Hamann vorbeidrücken, aber heute gewinnt mit einem neuen Lebensgefühl Hamanns Lehre wieder an Boden. Nur in Gemeinschaft mit Hamanns Metakritik ist Herders Metakritik und Jean Pauls » Clavis Fichtiana « zu beurteilen. Das Werk Hamanns war, auch wenn es erst später erschien – lange nach Hamanns 1788 erfolgtem Tode –, Herder wie Jean Paul jedenfalls im Manuskript bekannt. Ihre Gedanken basieren auf Hamann und setzen ein Gedankengefüge voraus, das den Lesern und Beurteilern der » Clavis Fichtiana « unbekannt war.
    Dennoch kann man sagen, daß Jean Pauls Angriff auf Fichte das Wesentliche in Fichtes Lehre nicht trifft. Jean Paul verwechselt den Fichteschen Ichbegriff mit dem Solipsismus. Natürlich konnte Fichte nicht meinen, daß das einzelne, individuelle Ich zuerst die Welt mit ihrem ganzen Inhalt erschafft. Auch die individuellen Inhalte werden durch Fichte dem Ich ja noch entzogen. Es ist ein durchaus überindividuelles, rein erkenntnistheoretisches Ich, das Fichte setzt. Und gegen dieses Ich setzte Jean Paul vergeblich den gesunden Menschenverstand ein. »Seit dem 13. Jahr trieb ich Philosophie,« schrieb Jean Paul in dieser Zeit an Jacobi, »warf sie im 25. weit weg von mir aus Skepsis und holte sie wieder zur Satire – und später näherte mich ihr, aber blöde, das Herz.« Mit diesen Worten wird Jean Pauls Verhältnis zur Philosophie, auch soweit es sich in der Schrift gegen

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