Saemtliche Werke von Jean Paul
mit mir an einem Tage mit den gesunden frohen Kindern ankamen. (Erlasse mir die Männer!) Mit der von Solms wollte ich in einem Kohlenbergwerk hausen, dürft ich ihren Galan da vorstellen. Diese Wesen lieben und lesen mich recht herzlich und wollen nur, daß ich noch 8 Tage bleibe, um die erhaben-schöne 4te Schwester, die Königin von Preußen, zu sehen; Gott wird es aber verhüten. Ich bin auf Mittag und Abends für immer gebeten. Der Herzog, ein wenig borniert aber gutmütig, machte anfangs nicht viel Fait von mir; aber jetzt ist er mir recht gut, und er merkte an, daß ich mir zuwenig Spargel genommen und gab mir außer diesem noch die ersten Hirschkolben zu essen, die nicht sonderlich sind. Gestern habe ich vor dem Hofe – phantasiert. Du erschrickst; aber ich habe seit anderthalb Jahren phantasiert vor Gleim, Weiße, Herder, vor der Herzoginmutter passimque . – Auch hier habe ich eine anständige Brüder- und Schwestergemeinde; und kann der Zinzendorf sein. – Nein, es wäre Undank, wenn ich nicht die Liebe meiner Deutschen für den reichsten Lohn meiner Federfechterei hielte.
Ich studiere an diesem Höfgen doch die Kurialien mehr ein für meine Biographieen: Wenn alles aus den Vorzimmern in den Speisesaal zieht: so schreitet das kurze Kammerjunker- und sonstige Volk (und ich mithin mit) wie die Schule vor der Bahre voraus und die fürstlichen gepaarten Personen schleifen nach. Wieland aber (das erzählt er mir selber mit Spaß über seine Unwissenheit) gedachte anfangs höflich zu sein und ging nicht voran, sondern fügte sich zum Nachtrab und kam so zugleich mit den Fürstenpaaren an. Übrigens was ich mir durch den Hof am Gasthofs-Essen und Trinken erspare, das trägt der Bader wieder fort, weil ich den verdammten Kinn-Igel öfter scheren lassen muß.«
Es war das erstemal, daß Jean Paul längere Zeit an einem Hof verbrachte, und dieser Aufenthalt hat entschieden seine Reize für ihn gehabt, wie aus seiner langen Schilderung der Etikette ersichtlich ist. Aber allmählich trat doch der Hof hinter Caroline von Feuchtersleben zurück. Als er im Juli auf der Reise nach Gotha die Wartburg kennenlernte, dachte er an sie: »Wenn ich eine Stunde bei Ihnen hätte, wie sie für uns gehört, eine Stunde, wo die Seele verklärt und zerfließend sich der ähnlichen zeigt und öffnet, und wo einmal um uns nichts wäre als eine untergehende Sonne oder ein aufgehender Mond – als ich auf der Wartburg stand und über die aufgerollte Karte von Wäldern und Bergen hinsah und als ich mit der Menge durch einen herunterwachsenden Hain nach Hause ging, worein die Abendsonne vergoldete Bäume und Zweige pflanzte und als mein Herz in Jugendkraft die Welt aufnahm: so drang doch ein Seufzer in die glückliche Brust und er fragte mich, warum bist du allein? – Neben Dir hätt er mich nicht gefragt… Gute Seele, weißt denn Du, wie ich Dich liebe?« Das war freilich für Jean Paul noch keine eigentliche Liebeserklärung. Zur gleichen Zeit schrieb er an Otto: »Ach die Gegend von Eisenach, die Wartburg usw. drückte mit ihren Reizen mein Herz. Welche jugendliche feurige Himmel liegen in meiner Brust. Wie werd’ ich lieben! Wie werd’ ich glühen! Wie kann ich leiden! – – Das alles fuhr mit seinen Händen durch mich. Erinnere mich an die Tochter des Direktor Tschirpe; denn ich kenne deine Abneigung vor langen schriftlichen Erzählungen. – Ferner fand und gewann ich eine geistreiche, von Wieland unter dem Namen Psyche besungne Frau – v. Bechtolsheim – und eine Holländerin v. Banhuisen, ein Mädchen mit welschen Augen und Augenbrauen; mit beiden fuhr ich Nachts um 12 Uhr durch die glühenden Sternbilder der Johanniswürmgen von der Ruhl zurück.« So sind seine Briefe von immer neuen Entzückungen über immer neue weibliche Wesen erfüllt. Mit Josephine von Sydow will er sich im Winter in Berlin treffen. »Ach Josephine, welchen Mai verheißet uns der Winter!« Aber aus allen Gestalten schält sich doch immer deutlicher Caroline von Feuchtersleben heraus. Der Hof schien ein Interesse daran zu nehmen, die schöne ehemalige Hofdame dem berühmten Gast zu verbinden. Vielleicht um etwaige Bedenken der adelsstolzen Familie von vornherein zu zerstreuen, wird Jean Paul zum Legationsrat ernannt. Er ist selig. In allen Briefen kommt seine Freude über den erworbenen Rang zum Durchbruch. Er will den »Titan«, dessen erster Band zur Drucklegung bereitliegt, den vier Schwestern auf dem Thron widmen. »Aber beleidigt sie der
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