Saemtliche Werke von Jean Paul
übersehen lassen. In seinem Gesuch begegnete er sich, wenn auch nur im Wort, mit den Gedankengängen eines Friedrich Wilhelm III. und eines Metternich. Ein großzügiger Staatsmann hätte die Gelegenheit ergriffen, seiner Regierung einen der beliebtesten und größten Namen des damaligen Deutschland zu verbinden. Friedrich Wilhelm III. besaß diesen Blick nicht. Zu vieles in Jean Pauls Werken mochte ihn stören. Ein Kotzebue war ihm bald darauf willkommen. Das Gesuch eines Jean Paul lehnte er mit ein paar höflichen und nichts versprechenden Worten ab. Die Königin war gegen diese Entscheidung ihres Gemahls offenbar machtlos.
Auf Jean Pauls Freundinnen wirkte seine Verlobung verschieden. Die Gräfin Schlabrendorf, die allen Ernstes ihre Heirat mit dem Dichter geplant hatte, erkrankte bei der Nachricht. Vorübergehend tröstete sie sich durch eine Verlobung mit Ahlefeldt, die indessen bald aufgehoben wurde. Herzliche Freundschaftsbezeugungen kamen von Julie von Krüdener, die sich gerade in Berlin aufhielt und den Verkehr mit Jean Paul sofort aufnahm. Am tiefsten war Caroline von Feuchtersleben getroffen. Als Jean Paul sie später nach der Hochzeit anfragte, ob sie nicht mit ihm und seiner Frau zusammenkommen wollte, schrieb Caroline an ihre glücklichere Rivalin die ergreifenden Worte: »Haben Sie Mut genug, eine Unglückliche zu sehen, so kommen Sie.« Josephine von Sydow trat langsam aus Jean Pauls Gesichtskreis. Emilie von Berlepsch verheiratete sich fast gleichzeitig mit einem Domänenrat und mehrfachen Rittergutsbesitzer. Helmine von Klencke, die spätere Chézy, hatte sich keine Hoffnungen auf Jean Paul gemacht. Ihre Scheidung mit dem Baron Hastfer wurde in jener Zeit gerade ausgesprochen. Sie freute sich der wiedergewonnenen Freiheit und wünschte dem jungen Paar aus vollem Herzen Glück.
Jean Paul hatte von Anfang an nicht die Absicht, sich in Berlin für längere Zeit niederzulassen. »Hätte Berlin Berge und bitteres Bier, so trät ich nicht aus seinen magischen Kreisen.« So aber verließ er mit seiner jungen Frau unmittelbar nach der Hochzeit am 27. Mai 1801 die Stadt. Die Reise ging über Dessau zunächst nach Weimar, wo das Paar Jean Pauls alte Junggesellenwohnung bei der Frau Kühnholdt auf dem Marktplatz bezog. »Gott sei gelobt, nun bin ich zufrieden!« rief Herder aus, als er Karoline erblickte. »Ja, Sie sind es, was er haben muß!« Die Herderin schrieb an Gleim: »Er ist ein Liebling der Vorsehung; sie hat ihm die Hälfte seines Herzens, das Weib, das ganz für ihn geboren scheint, zugeführt. Sie ist gesund an Leib und Seele, ist munter, häuslich, liebenswürdig und ohne alle Schminke.« Herders waren durch diese Heirat wieder vollkommen ausgesöhnt. Auch die Herzogin Amalie empfing das Paar. Dort lernte Karoline auch den alten ehrwürdigen Wieland kennen. Wieland äußert sich folgendermaßen: »Sie hat ohne schön zu sein, eine seelvolle ansprechende aber anspruchslose Physiognomie, eine niedliche Figur, scheint eine ganz unverdorbne Blume, und man wird ihr auf den ersten Anblick gut. Herder und seine Frau haben sie wie ihr eignes Kind liebgewonnen und ebendasselbe ist auch mir begegnet.« Am 16. Juni ging die Reise weiter über Gotha, wo bei Schlichtegrolls Aufenthalt genommen wurde, nach dem neuen Wohnsitz Meiningen. Im Hause der Geheimrätin Zink in der Unteren Marktgasse wurde Wohnung genommen. In einigen Tagen schon arbeitete Jean Paul an dem »Titan« weiter.
Tita n
Seit seinem ersten Aufenthalt in Weimar war Jean Pauls Produktion unaufhörlich bergab gegangen. Aber wie hätte es auch anders sein können! Was er auch immer an der Oberfläche agieren mochte, in der Tiefe gerann die großartigste dichterische Konzeption jener Zeit zu festen Formen. Er hatte sich mit den Großen dieser Erde eingelassen und hatte ihnen seinen Tribut gezollt. Aber im Grunde war er als ein Verräter in eine ihm fremde Welt eingedrungen. Er hatte mit den Titanen und Titaniden am Tisch gesessen, aber nur, um dann endlich seinen »Anti-Titan« schreiben zu können. Er hatte seine Zeit durchmessen in allen Höhen und Tiefen, nun forderte er sie in die Schranken.
Seit dem Jahre 1792 hatte er unaufhörlich den Plan mit sich umhergetragen. Schon die »Unsichtbare Loge« hatte er mehr und mehr als eine Vorarbeit für den »Kardinalroman« aufgefaßt. Als er den »Hesperus« schrieb, schied er sorgsam aus dieser rein romantisch zu haltenden Arbeit alles aus, was nur in den umfassenden Plan seines
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