Saemtliche Werke von Jean Paul
schriftlich bei ihrem Vater um ihre Hand. Umgehend erhielt er die Einwilligung.
Schon die nächsten Wochen zeigten der Braut, daß ihre Ehe nicht dornenlos sein würde. Nach seiner Art ließ sich Jean Paul durch seine Verlobung nicht abhalten, seinen umfangreichen Verkehr mit den verschiedensten Frauen und Mädchen fortzusetzen. Die Hofkreise luden ihn auch weiter ohne seine Braut zu Gast, und er folgte diesen Einladungen. Von der Königin Luise kam den Liebenden übrigens der erste Hausrat: ein silbernes Tee- und Kaffeeservice. Karoline wird unter den ersten kleinen Vernachlässigungen ihres Bräutigams schweigend gelitten haben. Sie lernte es allmählich, sich in das gewöhnliche Schicksal der Frau eines berühmten Mannes zu finden. Wie die Verlobung auf Jean Paul selber wirkte, davon geben seine Arbeiten während dieser Zeit die beste Auskunft. Seit dem ersten Aufenthalt in Weimar war seine Produktion reißend bergab gegangen. Ein neuer Schwung beseelte jetzt den »Gianozzo« und die »wunderbare Gesellschaft in der Neujahrsnacht«. Die »Wanderjahre« liefen ihrem Ende zu. Jean Paul drängte dem heimatlichen Boden entgegen. Was er in der »Geschichte meiner Vorrede zur zweiten Auflage des Quintus Fixlein« versprochen hatte, als er sich mit dem Geist von Weimar auseinandersetzte, das konnte er jetzt Tat werden lassen. Über vier Jahre hatte er sich bei den Titanen aufgehalten. Noch war das meiste des Kardinalromans, der die Ernte dieser Zeit enthalten sollte, zu Papier zu bringen. Dann erst konnte die Entscheidung über die endgültige Künstlerphysiognomie Jean Pauls fallen.
Wie schon bei seiner Verlobung mit Caroline von Feuchtersleben beschlich ihn auch jetzt die Sorge um die Zukunft. Sein Ruhm hatte den Zenith erklommen, aber wohl mochte er sich die Frage vorlegen, ob seine Beliebtheit bei der Lesewelt anhalten würde. Schon damals hatte Gleim ihm geraten, sich um eine Präbende bei dem Berliner Hof zu bewerben. Jetzt glaubte Jean Paul es an der Zeit, eine solche Bewerbung einzureichen. In der Eingabe an den König fand sich folgender Satz: »Da mir mein Ziel, den gesunkenen Glauben an Gott, Tugend und Unsterblichkeit wieder zu erheben, und die in dieser egoistischen revolutionären Zeit erkaltete Menschenliebe zu erwärmen, da mir dieses Ziel lieber sein muß als jeder andre Lohn und Zweck: so opferte ich dem höheren Ziel jedes andere, Zeit und Gesundheit, auf und zog gern die längere Anstrengung dem reicheren Gewinste vor.« Fast scheint es so, als wenn Jean Paul wirklich zeitweilig diesem Streben nachging. Erzählungen wie »Das heimliche Klaglied jetziger Männer« scheinen völlig im Dienst dieser Tendenz zu stehen. Aber wie konnte seine reiche Künstlerpersönlichkeit auf diese moralistische Formel gebracht werden! Mit Absicht hatte er sich wohl, dem bigotten Preußenkönig zuliebe, zweideutig ausgedrückt. Wohl kündete sein Dichten von Gott, Menschenliebe und Unsterblichkeit, aber der reaktionäre Ton, der in den Worten seines Gesuches liegt, paßte unmöglich zu seinem Schaffen. Noch waren ja die revolutionären Partien seines »Hesperus« in aller Gedächtnis, und niemand, der ihn überhaupt mit einiger Aufmerksamkeit las, konnte an den Satiren vorbei, die sich in erster Linie – wenn auch nicht so sehr bei seinen letzten Arbeiten – gegen die Territorialdynastien richteten und die Qualen des deutschen Volkes unter der Willkürherrschaft seiner Despoten an die Wand warfen. Aber man muß in Jean Pauls Worten doch mehr als eine bloße Zweideutigkeit sehen. Sie enthalten in Wirklichkeit das Programm, das sich ein Jahrzehnt später die Romantik zu eigen machte und das sich zu dem Geist der Heiligen Allianz auswuchs. Was ursprünglich die lodernde Flamme begeisterten Menschentums war, das schlug später jedes freie Menschentum in Bande. Die Verbindung von Gott und Unsterblichkeit mit dem preußischen Staatsgedanken wirkte sich in unheilvoller Weise aus, und gerade die Romantiker wie die Brüder Schlegel oder Zacharias Werner waren es, die durch diese Ideenverbindung das lebendige Volksbewußtsein unterhöhlten. Jean Pauls Gesuch an den König ist ein eigentümlich frühzeitiger Beweis für die reaktionäre Richtung, die in der Romantik unsichtbar verborgen war. Jean Paul hatte diesen Gegensatz zu seinem eigenen Denken ganz richtig erkannt, und nur sein näherer Verkehr mit Novalis, Schlegel und Fichte und der persönliche Glanz, der von den jungen Romantikern ausging, hatte ihn das Trennende
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