Saemtliche Werke von Jean Paul
Uhr erfolgte letztere mit einem göttlichen Töchterlein. Himmel, Du wirst entzückt auffahren wie ich, als mir die Hebamme mein zweites Liebstes wie aus der Wolke gehoben vorhielt, die blauen Augen offen, mit schöner weiter Stirn, kußlippig, herzhaft rufend, mit dem Näschen meiner Frau. – Gott steht bei einer Entbindung; wer ihn da nicht findet, bei diesem unbegreiflichen Mechanismus des Schmerzes, bei dieser Erhabenheit seines Maschinenwesens und bei der Niederwerfung unserer Abhängigkeit, der findet ihn nie! – Ich verhehlte, um zu schonen, meiner Frau die weinende Entzückung, so weit ich konnte, wovon sie doch viel bekam und erwiderte. In der einsamen Stube hatte ich (die kühne Wahrheit zu reden) – ach wie sehnt ich mich nach dir oder Emanuel! – nur meine Entzückung und Gott und den Spitz. Wie ein Donnerschlag durchfährt die erste Erblickung Mark und Bein! Und nun jetzt, da meine Karoline so gesund daliegt, ihre Entzückung! . . . Nur meiner Karoline wegen wünscht ich einen Jungen; ich aber sagt ihr, daß mir ein Mädchen lieber wäre: weil die Elternerziehung an einem Knaben (das Universum und die Vergangenheit sind seine Hofmeister) wenig vermöchte, aber an einem Mädchen alles, das an dieser festen, reinen, hellen Mutter nichts werden kann als der zweite Diamant. Nun ist’s gut und die Welt wieder offen, und der Himmel und ich haben meine Frau wieder! Mitten in den Wehen heute brachte sie mir doch mein Frühstück von Pflaumenkuchen. Ach wie lernt ich die armen Weiber wieder achten und bedauern.«
Das Mädchen wurde Emma genannt, und außer Otto waren auch der Herzog von Meiningen und die Herzoginmutter Amalie von Weimar unter den Paten. Man darf vorausnehmen, daß Emma die Erwartungen, die der glückliche Vater an sie knüpfte, voll erfüllte.
Fast zugleich mit dem ältesten Kinde erblickten die letzten Kapitel des »Titan« das Licht der Welt. Seltsam wie das Auf und Nieder von Jean Pauls Leben sich in diesem Jahr kreuzte. Noch war er in voller Aufwärtsbewegung. Sein Haus sollte sich noch mehr und blühender erfüllen, sein Werk sich gerade in den letzten Jahren noch ausbreiten wie ein prangender Baum. Und doch war der Höhepunkt dieses Lebens bereits überschritten. Gerade mit der Veröffentlichung des »Titan« beginnt die eigentliche Tragödie seines Lebens. Hier müssen wir nachholen, daß die Wirkung des durch ein Jahrzehnt gehegten Kardinalromans nicht den Erwartungen entsprach, die Jean Paul an ihn geknüpft hatte. Es hing wohl in erster Linie damit zusammen, daß die vier Bände in jahrelangen Abständen einander gefolgt waren. Jean Paul selbst hatte durch fortgesetzte Hinweise auf den »Titan« die Erwartungen aufs höchste gespannt. Selbst seine Freunde waren enttäuscht. Mit Otto hatte es gleich bei dem ersten Band das erste ernste Zerwürfnis gegeben. Von da ab hatte Jean Paul aufgehört, seine Manuskripte vor der Veröffentlichung dem Freunde zu unterbreiten. Aber auch Männer wie Jacobi und der Däne Baggesen, mit dem Jean Paul seit einer Reihe von Jahren in anregendem Verkehr stand, waren von dem ersten Bande tief enttäuscht gewesen. Wir müssen uns in Erinnerung rufen, daß dieser erste Band noch allzuviel von Jean Pauls alter Manier enthielt. Die Stilarten der Darstellung waren gemischt. Das Heroische der ersten Jobelperiode kontrastierte auffallend mit den humoristischen Szenen im Hause des Doktor Sphex, in dem Jean Paul kaum über den niederen Humor des Professors Hoppediezel in der »Unsichtbaren Loge« hinausgekommen war. Die Kindheitsgeschichte Albanos führte wieder tief in die alte idyllische Welt, die man in den früheren Arbeiten bereits überwunden geglaubt hatte. Über das Schicksal Lianens und Albanos, Roquairols und Rabettens war es über die ersten Andeutungen nicht hinausgekommen. Wenn man diesen ersten Band mit den kühnen Plänen in Verbindung brachte, in denen Jean Paul seiner Zeit den Spiegel hatte vorhalten wollen, dann kann man wohl eine Enttäuschung auch der Wohlmeinenden verstehen. Man glaubte es wieder mit einem sentimentalen Roman zu tun zu haben. Und als dann in großen Abständen die nächsten Bände erschienen, war das Interesse erlahmt. Man brachte die Handlung nicht mehr zu einem Ganzen zusammen, man übersah die sorglich von Beginn an angelegten Minen, die nun in die Luft gingen, und fühlte sich von dem katastrophalen Schluß vergewaltigt. Tieck äußerte, daß der »Titan« nur ein verdickter Cramer sei, dieses Werk in eine Reihe mit
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