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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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Preußen das Höchstgehalt der Schulmeister zweihundertundfünfzig Taler beträgt. Im Baireuthischen fällt es noch schmäler aus. In hohnvoller Satire zieht Jean Paul den Schluß auf den Stand der Erziehung im freien England und in Deutschland. Hier rührt er an einen der Gründe, weshalb das englische und das deutsche Volk sich so verschieden entwickelten. Dort stand der Lehrstand im hohen Ansehen, als er bei uns noch hungerte und in allgemeiner Verachtung stand. Und nicht mit Unrecht rügt gerade Jean Paul, daß die Erziehung in Deutschland ausschließlich in der Hand der Theologen liegt. Gerade Jean Paul, der eine Erneuerung des religiösen Bewußtseins für eines der allerwichtigsten Erziehungsideale ansah.
    Welches Menschenidealbild Jean Paul in seiner »Levana« vorschwebte, wissen wir aus seinen Dichtungen, vorzüglich aus dem »Titan«. Es war seine Gefahr, statt in der Wirklichkeit wurzelnder Menschen nur künftige Gelehrte oder Schriftsteller zu erziehen. Wir sahen in der »Unsichtbaren Loge« wie im »Hesperus«, daß Jean Paul dieser Gefahr nicht immer entronnen ist. Aber im »Titan« schuf er in Albano das Idealbild des wahren deutschen Jünglings, und dieses Idealbild schwebt ihm auch in der »Levana« ständig vor Augen. Zur Wirklichkeit wollte er erziehen, zur Allkräftigkeit des Geistes und der Neigungen. Und diesem Ziele sollte der Lehrplan dienen, den er für den Entwicklungsgang seiner Knaben entwarf. Er war der erste, der in das alleinseligmachende humanistische Gymnasium die Bresche schlug. Wie so oft, war er auch hier seiner Zeit um ein Jahrhundert voraus, und der Lehrgang, den er in der »Levana« entwirft, deckt sich ungefähr mit dem der heutigen Realschulen. Ja, er geht zum Teil noch weiter. Das Englische will er unter den Fremdsprachen an die erste Stelle gerückt wissen. Dazu kommt eine besondere Hinneigung zu den Realien. »Gebt der Naturlehre und Naturgeschichte, der Stern-, der Meßkunde… Höhr- und Lehrstellen in den Gymnasien – folglich den Knaben zehnmal mehr Freude, als sie an der Aufwickelung der verschleiernden Mumienbinden der antiken Grazien haben.« Im Mittelpunkt des Unterrichts aber soll die deutsche Sprache stehen. »Sollen wir denn alle Schönheiten gleich Vasen und Urnen aus Gräbern holen? Widersinn ist es, anstatt an einheimischen, verwandten, jungen Schönheiten den Sinn für fremde, alte hinauf zu bilden und im Auslande früher als im Mutterlande erzogen zu werden.« Nicht durch das Exponieren des Tyrtäus, sondern durch Einführung in Klopstocks Gesänge soll das heilige Feuer der Vaterlandsliebe angeblasen werden. Und welche Gewalt der eigenen Sprache, schreibt er, würde sich bilden, »wenn man schon zur Zeit, wenn die Schullehrer sonst Pindare und Aristophanesse traktieren, in Klopstock oder Voß, Goethe oder Schiller einführte«. Nur an den eigenen Dichtern, an der eigenen Geschichte erbaut sich die Jugend.
    So biegt auch hier die »Levana« wieder in den Ideenkreis des »Titan« ein. Genau wie Albano durch die Berührung mit der Antike im Herderschen Geiste zur Tat und nicht zu einem leeren formalen Ästhetizismus aufgerufen wird, so wollte er auch in der »Levana« die Berührung mit der Antike in lebendige Bewegung umsetzen. »Die Alten nicht kennen, heißt eine Ephemere sein, welche die Sonne nicht aufgehen sieht, nur untergehen«, schreibt er, aber er wollte »diese kanonischen Schriften des Geistes« nicht zu Buchstabier- und Lesebüchern entheiligt wissen. »Nimmermehr kann die zarte, unauflösliche Schönheitsgestalt genossen werden, wenn das grammatische Zerteilen sie, gleich der mediceischen Venus, in dreizehn Bruchstücke und dreißig Trümmer zerbröckelt.« Ein heroischer Antrieb sollte den deutschen Jünglingen aus der Antike kommen, damit sie im edelsten Sinne deutsch würden.
    Das ist der tiefe Sinn seines idealen Lehrplanes. –
    In der »Levana« hatte Jean Paul das deutsche Buch geschrieben. Mit einem Schlage wurde diese »Erziehlehre«, trotz der umwälzenden kriegerischen Ereignisse, die ihrem Erscheinen unmittelbar folgten, zum allgemeinen Tagesgespräch. Eine Welt sank bei Jena in Trümmer. Aber eine neue Generation entnahm den Schlachten dieses Werkes, das die höchsten idealen Forderungen mit der liebevollsten Behandlung der Kleinigkeiten des Alltags verband, bereits die Kräfte zu neuem Aufstieg. Noch einmal sollte über den Trümmern des alten Preußen ein neuer idealer Geist der Freiheit und Humanität die Fahne entfalten. Es

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