Saemtliche Werke von Jean Paul
bestehende Verhältnisse unverblümt und ganz direkt an. Die Folgen sollten sich unmittelbar bemerkbar machen.
Infolge des Auftauchens Napoleons am politischen Horizont war eine ungeheure Unsicherheit in das Leben auch in Deutschland gekommen. Niemand wußte, was die nächsten Jahre bringen würden. Man stand unter dem Eindruck kommender Umwälzungen, die ihre Schatten vorauswarfen. Die Lebensstellung eines freien Schriftstellers erschien unsicherer als je. Zwar hatte Jean Paul für seine »Flegeljahre« gerade den Verleger gefunden, der seinen Ruhm darin suchte, den zeitgenössischen großen Dichtern ein sorgenfreies Einkommen zu sichern: Cotta. Cotta zahlte ihm für den Bogen des Romans 7 Louisdors, also etwa das Doppelte von dem, was er für den »Titan« von Matzdorff erhalten hatte. Aber auch Cotta wies auf die drohende Unsicherheit der Zeit hin, die das Publikum von dem Ankauf größerer Werke immer mehr abhielt. Schon bei seiner Verheiratung hatte sich Jean Paul, obwohl auf der Höhe seines Ruhms und seiner Einnahmen stehend, um die Zukunft seiner zu gründenden Familie Sorgen gemacht und war damals bei dem preußischen Hof, an dem er in der Königin Luise eine Gönnerin hatte, um eine Präbende eingekommen. Friedrich Wilhelm hatte aber ausweichend und auf die Zukunft vertröstend geantwortet. Angesichts der allgemeinen Unsicherheit glaubte sich jetzt Jean Paul, zumal ihm im November 1804 das dritte Kind geboren war, um eine staatliche Sicherstellung bemühen zu müssen. Anläßlich einer Fürbitte für Herders Hinterbliebene ließ er auf dem Wege über seinen Schwiegervater und den Erbprinzen Georg von Mecklenburg, den Bruder der Königin, den König an sein damaliges, allgemein gehaltenes Versprechen erinnern. Noch bevor eine Antwort einlief, erschien das »Freiheitsbüchlein«, und Jean Paul mußte durch den Erbprinzen erfahren, »daß Se. Majestät des gegebenen Versprechens sich nicht bestimmt zu erinnern wisse«. Der Dichter reichte nunmehr das damals empfangene Handschreiben des Königs ein, blieb aber wieder ohne Antwort.
Im Juni 1805 besuchte das preußische Königspaar das Fürstentum Baireuth und hielt sich insbesondere in dem bei Wunsiedel gelegenen Alexanderbad auf. Auf der Luchsburg bei Alexanderbad wurde der königlichen Familie ein festlicher Empfang bereitet. Die Luchsburg, übrigens keine eigentliche Burg, sondern ein romantisches Felslabyrinth, wurde bei dieser Gelegenheit in »Luisenburg« umgetauft. Damals wurden auch die noch heute bestehenden Luisenfestspiele durch eine kleine Dichtung des Ministers Hardenberg, der an der Spitze der Ansbacher und Baireuther Verwaltung stand, eingeweiht. Zu Hardenbergs kleinem Festspiel »Philemon und Baucis« hatte Jean Paul selbst einige Verse beigesteuert, die er später unter dem Titel »Meine ersten Verse« veröffentlichte. Jean Paul kam, von Hardenberg und Schuckmann geladen, selbst zu der Feier nach Wunsiedel und wohnte dort bei dem alten Freunde Vogel, der inzwischen Superintendent von Wunsiedel geworden war. Zum erstenmal weilte der Dichter wieder in seiner Geburtsstadt, und sicher hat er das kleine Organistenhäuschen, in dem er geboren war und das sehr ähnlich dem Herderhaus in Weimar hinter einer schattenden Kirche liegt, besucht. Die Feier auf der Luisenburg verlief stimmungsvoll. Die hohen Gäste wurden bei ihrem Nahen durch einen »Wechselgesang der Oreaden und Najaden« aus einer Felsengrotte heraus begrüßt. Es waren die »ersten Verse« Jean Pauls, die hierbei erklangen. Ob aber der Dichter durch Hardenberg dem hohen Paare überhaupt vorgestellt wurde, erscheint zweifelhaft. Die Angelegenheit einer Subvention wurde durch dieses Zusammentreffen jedenfalls nicht gefördert. Auf eine erneute Anfrage erhielt er über den Erbprinzen Georg die Antwort, er möchte sich um eine akademische Professur bewerben, auf die er durch seine »Vorschule der Ästhetik« sich einen Anspruch erworben habe. Auch der Minister Freiherr vom Stein schloß sich diesem Rat an. Die nächste freiwerdende Staatssubvention aber erhielt nicht Jean Paul, sondern der flache Unterhaltungsschriftsteller Lafontaine. »Am Ende ist’s auch keine Unehre,« schrieb Jean Paul an seinen Schwiegervater, »von Kotzebue und Lafontaine sich unterschieden zu wissen durch Neins!« Dennoch bewahrte Jean Paul der Königin Luise, der er ja nebst ihren Schwestern seinen »Titan« gewidmet hatte, seine liebende Verehrung. Am 19. Juli 1810 starb die Königin. Jean Paul widmete seine
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