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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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Beziehung hinwegzusetzen. Trotz der unzweifelhaften Schattenseiten seines Charakters war der Herzog einer der witzigsten Fürsten seiner Zeit, und es lag für Jean Paul wohl nahe, ihm seine Vorschule zu widmen, in der er gerade dem Witz, der Satire, dem Humor die metaphysische Grundlegung gegeben hatte.
    Der Verleger der Vorschule, der Hamburger Buchhändler Perthes, ließ das Werk in Jena drucken. Es unterlag also der dortigen Zensur. Noch von Koburg aus hatte Jean Paul sich in einem humoristisch gehaltenen Schreiben an den Herzog gewandt mit der Bitte, ihm die ästhetische Abhandlung widmen zu dürfen. Der Herzog hatte in seiner barocken Manier geantwortet. Jean Paul wußte nicht recht, ob der Herzog die Widmung angenommen habe oder nicht. Jean Paul schrieb noch einmal. Der Herzog antwortete wiederum. Diese Art der Dedikation erschien dem Jenenser Zensor, dem Dekan der philosophischen Fakultät, Professor Voigt, allzu merkwürdig, und er versagte das Imprimatur. Jean Paul schickte nun der Fakultät die Beweise dafür ein, daß dieser seltsame Briefwechsel in der Widmung nur fingiert und mit dem Herzog vorher besprochen wäre. Professor Voigt blieb aber bei seiner Verweigerung der Druckerlaubnis, und die ganze philosophische Fakultät schloß sich ihm einstimmig an. Der Vorfall war um so merkwürdiger, da der Herzog einer der Landesherren der Universität Jena war. Wahrscheinlich hatten die Jenenser Professoren von Weimar aus, wo Goethe Minister war, ihre Weisung erhalten.
    Zum erstenmal war Jean Paul mit einer Zensurbehörde in Konflikt geraten und sah mit Schrecken, wie tief diese von ihm bisher unbeachtet gebliebene Institution in das geistige Leben einzuschneiden vermag. Bisher war die Zensur in Mitteldeutschland kaum jemals ernstlich in Erscheinung getreten, war bei der allgemeinen Freigeistigkeit des 18. Jahrhunderts zu einer fast nur formellen Angelegenheit geworden. Jetzt machte sich die preußische Vorherrschaft in Deutschland bemerkbar. Es war der Geist Friedrich Wilhelms III., der sich durch dieses straffere Anziehen der Zensur dokumentierte. Aus dem Preußen der Aufklärung war das Preußen der Reaktion geworden. Es gab das Beispiel auch für die mitteldeutschen Staaten. Zu den schweren Zensurkämpfen der Zeit nach den Freiheitskriegen entstand hier der erste Auftakt, zwei Jahre vor der Schlacht bei Jena. Jean Paul aber war nicht gesonnen, sich dieser Institution zu unterwerfen. Zwar mußte die Vorschule ohne die beabsichtigte Widmung erscheinen, aber schon schrieb er eine besondere Schrift über die Zensur, in der er diese Institution mit dem bittersten Spott verfolgte und ihre Abschaffung verlangte. »Freiheitsbüchlein« nannte er die kleine Schrift mit Recht, denn sie rüttelte als erste an einem der Grundpfeiler der geistigen Unfreiheit in Deutschland. Wären nicht die weltumwälzenden Kriege Napoleons in diese Zeit gefallen, würde das Büchlein eine neue Epoche im deutschen Geistesleben eingeleitet, würde es einen geistigen Freiheitskampf eröffnet haben.
    Die Wirkung des Buches wurde dadurch unterstützt, daß Herzog Aemil nicht nur gestattete, daß die von der Jenenser Zensur unterdrückte Widmung an der Spitze des Buches veröffentlicht wurde, sondern zugleich erlaubte, daß Jean Paul den ganzen mit dem Herzog in dieser Angelegenheit geführten Briefwechsel zum Abdruck brachte. Ja, er ließ nicht einmal die zynischen Partien dieses Briefwechsels ändern. Man kann sich denken, welchen Eindruck es in Deutschland machen mußte, wenn ein Fürst einem Dichterfreunde schrieb: er möge nach Gotha kommen, »um da zu verpissen, was er in Liebenstein getrunken, dabei aber die Perücken seiner Minister verschonen«. Es war ein unerhörter Vorstoß, den hier ein Fürst und ein Dichter Arm in Arm gegen die geheiligte Zensur unternahmen. Und noch ein Dritter trat den beiden Kampfhähnen zur Seite: der Fürstprimas von Dalberg, damals Koadjutor von Mainz, der die kühne Schrift unter seinem Schutz in Erfurt drucken ließ.
    Damit hatte sich Jean Paul auf ein Gebiet begeben, das ihn während der nächsten Zeit festhalten sollte. Er hatte in die politische Diskussion eingegriffen, und bald sollte sich zeigen, daß er weiter und weiter gedrängt wurde. Zwar hatte er aus seinen politischen Überzeugungen nie ein Hehl gemacht. Aber was er bis dahin politisch geschrieben hatte, war doch mehr akademisch geblieben, trat als Einschiebsel in seinen Romanen oder als unterhaltsame Satire auf. Jetzt aber griff er

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