Saemtliche Werke von Jean Paul
damals erscheinende »Herbstblumine« dem Erbprinzen Georg und fügte dem Buch die »schmerzlich tröstenden Erinnerungen an den 19. Juli 1810« an. Auch dem König übersandte er ein Exemplar der »Herbstblumine«. Friedrich Wilhelm antwortete kurz: »Ich habe Ihre ›Herbstblumine‹ erhalten. Es wird Ihnen genügen, wenn ich Ihnen sage, daß Sie mir kein angenehmeres Geschenk machen konnten als mit den schmerzlich tröstenden Erinnerungen an den 19ten Juli 1810, die dieses Bändchen schließen. Ich enthalte mich deshalb aller weiteren Hinzufügungen, und bin Ihr wohlgeneigter Friedrich Wilhelm.« Aber dem Dichter eine Unterstützung zukommen zu lassen, war er selbst nach dem glücklichen Ausgang der Befreiungskriege nicht geneigt. Er sagte einmal zur Henriette Herz über diesen Punkt: »Höre denn doch zu viel diesen Jean Paul herausstreichen. Mag ganz gute Romane geschrieben haben – für den Liebhaber, denn mir war das, was mir davon zu Händen gekommen ist, ein bißchen gar zu kraus – aber dies ist doch ein Verdienst, das sich noch halten läßt. Wie will man erst von einem großen Staatsmann sprechen oder von einem Helden, der das Vaterland gerettet hat? Die Damen verstehen immer das Maßhalten nicht.« Man sieht, der König hatte sich durch Niederbruch und Auferstehung Preußens nicht geändert. Er begriff noch immer nicht, daß hinter der Tat der Geist stehen muß, von dem sie erst Richtung und Wirkung erhält.
Während dieser Vorgänge hatte Jean Paul jene Schrift vollendet, die noch vor dem Niederbruch des alten Preußen den Grund zu einem neuen legte: die »Levana«. Vierzehn Tage nach Beendigung der »Levana« brachen Preußens Heere bei Jena zusammen. Kam dieser Zusammenbruch überraschend? Schon jahrelang vorher, mindestens Ende des Jahres 1805, lagen die Mängel der deutschen Staatsverfassungen vor aller Augen. Im November schrieb Perthes, der Hamburger Verleger der Vorschule, an Jean Paul einen Brief, der tief in die Schäden des damaligen Deutschland hineinleuchtet. »Da war nur ein Streben,« schreibt Perthes, »das Hohe, Starke, Große, Tiefe älterer Zeiten in Form und Worten zu erreichen; aber ein Sein fand sich nicht, und fand sich’s, wurde es verbuhlt… . In alten Zeiten waren die Dichter und Geschichtschreiber die Führer ihres Volks… . Es schreibt mir ein glaubwürdiger Mann: ›Die Zeit ist da, wo alle Gleichgesinnten sich einander brüderlich anschließen müssen zu dem Werk der Nationalrettung, und, wenn es mißglückte, wenn das ganze Machwerk, vor dessen Erhaltung die, welche es am wenigsten sollten, die Hände abziehen, zerbrechen sollte, zu fester Einigung, damit der Keim der Erneuerung bleibe, und nicht ein allzu gutes Volk wie wir Deutsche dem Joch der Übermütigen sich unterwerfe. Könnte ich machen, daß alle Rechtliche in diesem Bund vereinigt würden, er sollte der kräftigste sein.‹ – Sie sind ein geistvoller tätiger Mann. Sie haben noch ungefundene Wege, die gerade in des Menschen Herz und Geist führen, betreten, – wären in der Vereinigung, die eine offene und feste sein wird, ein wirksames mächtiges Glied! Wohlan! Wenn Sie mir antworten, wie ich es voraussehe, ein Weiteres! Es gehe, wie es wolle – es komme Freiheit oder es bleibe Knechtschaft. – Deutschland ist noch nicht verarmt! Bei Gott! wenn wir fest sind, so werden wir erdulden, was sonst unerträglich wäre.«
Jean Paul antwortete: »Hamburg und die andern Hansestädte sind noch die Arterien des deutschen Reichskörpers; weiter hinein gibt es nur Venen und lymphatische Gefäße. Oesterreich verdient keine Erhaltung, da es seine Untertanen mit einem ewigen geistigen Krieg überzieht und belagert, und aus Mangel an Köpfen gehen ihm nun die Arme verloren. Aber das übrige Deutschland hat noch beides! Ich finde in der alten Geschichte, daß Caesar zwar Gallien besiegte aber nicht Deutschland. In deutschen Regierungsformen ist doch deutscher Geist nicht notwendig eingescheidet. Schon unsre deutsche gelehrte Republik und Kosmopolitie wird ihn und seinen Flammen Ort und Nahrung und Thron verleihen. – Bei den Alten waren die Dichter Geschöpfe der Regierungsform; jetzt sollen sie Schöpfer derselben sein? – Sie werfen ihnen mit Unrecht vor, daß sie über dem Einkleiden das Verkörpern vergessen. Jede Kunst, das Handeln wie das Sprechen, Schreiben, Bilden etc. fordert ein ganzes Leben, und hier ist weiter keine Frage als – Alles oder Nichts. – Demosthenes war auf der Rednerbühne tapferer
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