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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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Menschen; diese waren die blutstillenden Schrauben, die er um seine Seele legte. Sein Leib war jetzt wie der katholische Reliquienleib eines Apostels an allen Orten; er verlief den ganzen Tag, bald mit, bald ohne den Fürsten.
    In Flachsenfingen war zuletzt keine Dame mehr, der er nicht die Hand geküsset hatte – und kein Nachttisch mehr, wo ers dabei hätte bewenden lassen.
    Er machte in den Rennwochen doppelte Schleifen – französische Pas – Tupfdesseins – kleine Komödien – Scharaden – Rezepte für Kanarienvögel – Verse für Fächer – tausend Besuche – und noch mehr Morgen-Briefchen….
    Letzte, die er bekam und schickte, waren französisch geschrieben und französisch gebrochen – nämlich zu Haarwickeln gequetscht: »Es sind«, sagt’ er, »die Haarwickel weiblicher Gehirnfibern – die Patronen voll Amors-Pulver – die Kokons der liebenden Schmetterlinge« – er sprach vom Steigen und Fallen dieser weiblichen Papiere und nennte sie noch die Aushängebogen des weiblichen Herzens und die Schmutztitelblätter der koketten Edikte von Nantes. »Ich behaupte dies,« – setzt’ er hinzu – »um mich vom Hofjunker Matthieu zu unterscheiden, ders leugnet, weil er gar verficht, anfangs dringe man den Schönen Briefe auf, dann Dinge von mehr Kubikinhalt, z. B. Fächer, Juwelen, Hände, dann endlich sich selber, so wie die Posten anfangs nur Briefe aufnahmen, dann Pakete, endlich Passagiere.« –
    Er fand diejenigen Weiber täglich amüsanter, die uns Leuten von Verstand das Herz aus der Brust und das Gehirn aus dem Kopf entwenden, und zwar (wie jener Edelmann anderes Zeug) nicht aus Liebe zum gestohlnen Gute, sondern aus Liebe zum Rauben – sie schicken wie der Edelmann den andern Morgen das Gut dem Eigner redlich wieder zu. Ihre Feinheiten – die seinigen – seine Wendungen, um ihren auszuweichen – die Aufmerksamkeit, die man auf sich wenden muß – die Gelegenheit, alle Empfindungen unter die feinsten Trennmesser zu bringen, oder unter Sonnen- und Mondmikroskope – die Leichtigkeit, den aufrichtigsten Wahrheiten den sauern Geschmack und den angenehmsten den süßlichten zu benehmen – – dieses machte ihm die Nachttische der Weiber, besonders der koketten, zu Lektisternien und Göttertischen: »Beim Himmel,« sagte der Nacht-Tischgänger oder Toiletten-Panist, »ein Mann ist bloß ein Holländer, höchstens ein Deutscher, aber eine Frau ist eine geborne Französin oder gar eine Pariserin – der Mann verbirgt seine moralische wie seine physische Brust – Gedanken und Blumen, die nicht durch die Raufen der vier Fakultäten durchfallen, Empfindungen, die nicht in den Akten oder in einem ärztlichen Befundzettel können beschrieben werden, muß man wahrlich nur einer Frau und keinem Manne sagen, zumal einem flachsenfingischen«… oder einem scheerauischen. –
    Um sich zu entschuldigen, daß er mit den Koketten auf dem Fuß eines Sammliebhabers umging, berief er sich auf seine Absicht – sie bloß kennen lernen zu wollen – und auf den vortrefflichen Forster , der in Antwerpen vor Rubens’ Maria, die auf dem Altarblatt gen Himmel fährt, so gut wie ein geborner Katholik hinkniete , bloß um sie näher zu beschauen.
    Er hatte noch eine gefährlichere Entschuldigung: »Der Mensch«, sagte er, »sollte alles sein, alles lernen, alles versuchen – er sollte an der Vereinigung der beiden Kirchen in seiner Seele arbeiten – er sollte, wenn nur auf ein paar Monate, ein Stadtmusikus, Totengräber, Galgenpater, ein Ingenieur, Tragödiensteller, Oberhofmarschall, ein Reichsvikarius, Vizelandrichter, ein Rezensent, eine Frau, kurz alles sollte der Mensch auf einige Tage gewesen sein, damit aus dem Farbenprisma zuletzt die weiße vollkommne Farbe zusammenflösse.« –
    Die Grundsätze werden desto gefährlicher bei einem wie er, der, mit den hochgespannten Saiten der unähnlichsten Kräfte bezogen, leicht den Ton eines jeden angab, nicht aus Verstellung, sondern weil sich seine Umgangs-Dichtkraft tief in die Seele des andern versetzen konnte – daher gewann, ertrug und kopierte er die unähnlichsten Menschen, ungeachtet seiner Aufrichtigkeit. Ich bedaure ihn aber, daß er überall so viel zu verschweigen hatte, sein Erraten des Fürsten, sein Herz gegen Klotilde, seine Versöhn-Intrigen gegen Agnola, seine Wissenschaft von Flamins Verhältnissen u. s. w. Ach Verschweigen und Verstellen fließen leicht zusammen, und müssen nicht Tropfen in den festesten Charakter, sobald er immer

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