Saemtliche Werke von Jean Paul
er von der Physiologie allemal innen, daß auch die Frau ihren Körper ebensooft als ihre Mägde tausche; mithin braucht er auf nichts zu passen. Nov. 22. c. 25. reicht ihm das Recht der Ehescheidung schon, wenn sie auf eine Nacht von ihm gelaufen; hier aber ist die Konsistorialrätin gar auf immer weggedünstet und repetiert noch dazu in jedem Dreijahr diese Wegdünstung, – sie, die doch nach »Langens geistlichem Recht«dem Konsistorialrat, ders selber in seiner Büchersammlung hat, nachziehen müßte, wenn er Landes verwiesen würde, gesetzt sogar, in den Ehepakten hätte sie sich ausbedungen, zu Hause zu bleiben. So redet Lange mit den Männern aus der Sache. In der großen Welt, wo echte Keuschheit und Vielwissen und also auch Physiologie zu Hause ist, traktierte man den Punkt längst mit Anstand und Verstand und trieb Gewissenhaftigkeit weit. Denn da ein Mann allda an seiner Gemahlin 3 Jahre nach dem Vermählungfest nicht ein Apothekerlot Blut, nicht eine dünne Vene, worins läuft, mehr von der alten auszuspüren hofft; da er mithin die weggewanderten Teile seiner guten Gemahlin an jeder andern viel eher und sicherer wiederzufinden glaubt als an ihr selbst; da er also vielmehr Liebe zur ankopulierten für eigentlichen Ehebruch an ihr und mit ihr halten muß – und, genau genommen, ists auch so –: so ists ihm jetzo hauptsächlich um reine Sitten zu tun; er lässet also zwar derjenigen Sammlung von Pulsadern, Nervenknoten, Fingernägeln und edlern Teilen, die man insgemein seine Frau benennt, seinen Namen, seinen halben Kredit und seine halben Kinder, weil man überhaupt in der großen Welt ungern öffentliche Verbindungen öffentlich aufhebt und lieber am Ende an tausend aus Luft geflochtenen Ketten geht; aber das gestattet ihm seine Achtung für Moral und Publikum nicht, eine und dieselbe Wohnung – Tafel – Gesellschaft mit einer Frau zu haben, die einen andern Körper hat; er erscheint sogar (welches vielleicht zu skrupulös ist) ungern mit ihr öffentlich und enthält sich wenigstens in seinem Hause alles dessen, wozu er oder Origenes sich unfähig machten.
Es sind schlechte abgefärbte Katheder, die mir den Einwurf machen können, die verehelichten Seelen blieben ja doch zurück, wenn die Leiber verrauchten. Denn mit der Seele (also mit dem Gedächtnis, mit dem Denkvermögen, sittlichen Vermögen u. s. w.) lässet man sich heutzutage wenig oder nicht kopulieren, sondern mit dem, was um sie herumhängt. Zweitens ist es ja bei jedem Materialisten auf der philosophischen Börse zu erfahren, daß die Seele nichts ist als ein Wassersprößling des Körpers, der also bei Mann und Frau mit dem Leib zugleich weggeht. Man braucht es aber gar nicht, sondern man darf nur Humen beifallen, welcher schreibt, die Seele wäre gar nichts, sondern bloße Gedanken leimten sich wie Krötenlaich aneinander und kröchen so durch den Kopf und dächten sich selbst. Bei solchen Umständen kann das Brautpaar Gott danken, wenn sein Paar kopulierter Seelen nur so lange halten will, wie die zwei Paar Tanz-Handschuhe des Hochzeitballs. Auch sieht man es am Vormittag nach den Flitterwochen.
Also, wie gesagt, alle Kanonisten können die Woche, wo Mann und Frau zum Ehebrechen schreiten darf, nicht weiter hinausschieben als ins vierte Jahr nach der Verlobung; allein für Leute von Welt und von Stand ist das hart und zu rigoros, zumal wenn sie aus ihrem » Keil « (dem Anatomiker) wissen, daß schon in einem Jahre der ganze alte Körper wegtauet, – bloß elende 16 Pfund Fleischgewicht ausgenommen. Daher warens oft meine Gedanken, daß ich, wenn ich meinen Ehebruch schon ins erste Jahr verlegte (wie’s viele tun), wirklich nur sehr wenigen Pfunden meiner Gattin, die 107 hat, untreu würde, den 16 Pfund nämlich, die noch restierten.
Auf den nämlichen Körpertausch, worauf man seinen Ehebruch gründet, muß das Konsistorium seine Scheidung gründen. Denn wenn Leute oft 9, 18 Jahre nach der Trauung offenbar noch in der Ehe beisammen bleiben, indes alle Physiologen wissen, daß zwei neue Ehekörper und zwar ohne priesterliche Einsegnung beisammen sind: so ist nun das Konsistorium verbunden, dreinzusehen und dreinzuschlagen und die zwei fremden Leiber zu scheiden durch ein paar Dekrete. Daher wird man auch niemals hören, daß ein gewissenhaftes Konsistorium Schwierigkeiten macht, Christen, die schon in der Ehe sind, zu trennen; man wird aber auch von der andern Seite ebensowenig hören, daß es solche, die sich die Ehe
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