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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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besten Regierbeamten und laichte zuletzt den Pestilenziarius.

Extragedanken über Regentendaume n
     
    Nicht die Krone, sondern das Dintenfaß drückt Fürsten, Großmeister und Kommenturen; nicht den Zepter, sondern die Feder führen sie mit so vieler Beschwerde, weil sie mit jenem bloß befehlen, aber mit dieser das Befohlne unterschreiben müssen. Ein Kabinettrat würde sich nicht wundern, wenn ein gequälter gekrönter Skribent sich, wie römische Rekruten, den Daumen amputierte, um nur vom ewigen Namen-Malen, wie diese vom Kriege, loszukommen. Aber die regierenden und schreibenden Häupter behalten den Daumen; sie sehen ein, daß das Landeswohl ihr Eintunken begehrt, – das wenige Unleserliche aus Kabinettbefehlen, was man ihren Namen nennt, macht wie eine Zauberformel Geldkästen, Herzen, Tore, Kaufläden, Häfen auf und zu; der schwarze Tropfe ihrer Feder dünget und treibet oder zerbeizet ganze Fluren. Der Professor Hoppedizel hatte, da er erster Lehrer der Moral beim scheerauischen Infanten war, einen guten Gedanken, wiewohl erst im letzten Monat: könnte der Oberhofmeister nicht dem Unterhofmeister befehlen, daß er den Kron-Abcschützen, der doch einmal schreiben lernen müßte, statt unnützer Lehnbriefe lieber mitten auf jedem leeren Bogen seinen Namen schmieren ließe? – Das Kind schriebe ohne Ekel seine Unterschrift auf so viele Bogen, als es in seiner ganzen Regierung nur bedürfe – die Bogen legte man bis zur Krönung des Kindes zurück – und dann, fuhr er fort, wenn es genau überschlagen wäre, wie oft ein Kollegium seinen Namenzug jährlich haben müßte, wenn folglich am Neujahrtage die nötige Zahl signierter Ries Papier zum Gebrauche aufs ganze Jahr den Kollegien zugeteilt würde: was hätte nachher das Kind unter seiner Regierung für Not?
    Ende der Extragedanken
     
    Noch ein Wort: nach neun Wochen tat dem Doktor die Rache mit dem Kräuterbuche, wie jedem guten Menschen die kleinste, wieder wehe. »Das Herbarium«, sagte er, »ärgert mich, sooft ich hineinklebe; aber es ist gewiß wahr, ein Mann sei immerhin durch alle Residenzstädte bescheiden passiert: unter dem Tor seiner Vaterstadt fährt der Hochmutteufel in ihn und macht mit ihm die ersten Besuche – seine guten Landsleute, will er haben, sollen während seiner Reise vernünftig geworden sein.«

Eilfter Sekto r
     
    Amandus’ Augen – das Blindekuhspiel
    Die Sympathie, welche Erwachsene in der ersten Viertelstunde ablaktiert , fügt auch oft Kinder aneinander. Unser Paar lief einander täglich über vierzigmal in die Arme und herzte sich. Ihr guten Kinder! seid froh, daß ihr eure Liebe noch stärker ausdrücken dürfet als durch Briefe. Denn die Kultur schneidet dem Ausdruck der Liebe das Gebet des Körpers immer kleiner vor – diese hagere Gouvernante nahm uns erstlich den ganzen Körper dessen weg, den wir lieben – dann die Hand, die wir nicht mehr drücken dürfen – dann die Knöpfe und die Achseln, die wir nicht mehr berühren dürfen – und von einer ganzen Frau gab sie uns nichts zum Küssen zurück als (wie ein Gewölle ) den Handschuh: – wir manipulieren einander jetzt alle von ferne. – Amandus hing mit seinem mehr weiblichen Herzen an Gustavs mehr männlichem mit aller der Liebe, die der Schwächere dem Stärkern reichlicher gibt, als er sie ihm abgewinnt. Daher liebt die Frau den Mann reiner; sie liebt in ihm den gegenwärtigen Gegenstand ihres Herzens, er in ihr öfter das Gebilde seiner Phantasie; daher sein Wanken kommt. Dieses Vorredchen soll nur eine Anfurt zu einer kleinen Schlägerei zwischen unserem kleinen Kastor und Pollux sein.
    Sie waren nämlich ungern so lange auseinander, als die Augen auf- und zugebunden wurden. Sooft der Verband wegkam, stellte sich Gustav vor ihn und verlangte durchaus, er sollte ihn sehen, und tat seinen Finger sich an die Nase und sagte: »Wo tipp’ ich jetzt hin?« Aber er examinierte den Blinden nicht sehend. Nach einer wöchentlichen Abwesenheit fuhr Amandus auf ihn zu: »Schieb mein Band auf,« sagte er, »ich kann dich gewiß auch sehen wie meinen Katzenheinz!« Da Gustav es aufgelüftet hatte und da er wirklich in das Auge des operierten Freundes einging, ganz wie er war, mit allem, mit Rock, Schuhen und Strümpfen: so war er froher als ein Patriot, dessen Fürst die Augen oder den Verband aufmacht und ihn sieht. Er inventierte sein ganzes Bilderkabinett vor seinen Augen mit einem ewigen »Guck!« bei jedem Stück. Aber weiter! Die Welt wird wenig davon

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