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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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wissen – die kleinen Partikelchen derselben ausgenommen, die Kinder, von denen eben ich reden will –, daß diese bei Hoppedizel Blindekuh gespielet. Ein fatales Spiel! wenn Mädchen dabei sind, wie hier war, zumal so schlimme wie des Professors seine! Amandus ließ sich in das Spiel ein und rannte hinter seinem Schnupftuch, das weibliche Pfiffigkeit über seine Augen gefaltet hatte, im Zimmer umher, nichts fangend als entkörperte Kleider. Zum Unglück stießen die Mädchen unter dem Ofen, worunter sie gegen alle gute Spielordnung geschlichen waren, auf die volle Milchschüssel des Spitzhundes. Da sie nun damals zu wenige Moralphilosophen gelesen, obgleich deren genug gesehen hatten: so schoben sie, aus Mangel an reiner praktischer Vernunft, die Schüssel so weit leise vor, daß der greifende Häscher ohne Mühe hineintrampelte und drüberschlug. Gustav mußte als Kind ein wenig lachen. Auf ihn schoben es die Sünderinnen und riefen: »O du! wenn nun Amandus ein Unglück genommen hätte!«Er riß sich von den nassen Scherben auf und puffte dem Gustav, der ihn tröstend bei den Händen faßte, ein wenig hinten ans Schulterblatt, da, wo nach den Kompendien der Milchsaft mit dem Blut zusammenrinnt. »Ich hab’s doch nicht hingestellte, sagt’ er. – »Ja, ja! und hast mir nichts gesagt«, versetzte der Blinde und stieß ihn wieder, aber heftiger und doch weniger zornig. – »Schlag immer! ich hab’ dir nichts getan«, und die Stimme brach meinem guten Helden – jener schlug wieder nach und sagte: »Ich bin dir auch gar nimmer gut«, aber so, als würd’ er sogleich zu weinen anfangen. –»Ach du hast dir gewiß einen Splitter eingestochen?« fragte Gustav mit der mitleidigsten Stimme – mitten im Versuch zu einem neuen Stoße glitt die dünne Eisrinde vom erwärmten Herzen Amandus’ herunter, er umfaßte den Unschuldigen und sagte unter hellen Zähren: »Du hasts ja nicht getan, und ich geb’ dir all meine Spielware: schlag mich doch recht!« und schlug sich selber. – – Bloß die Empfindung der Liebe kämpft mit solchen bittersüßen Sonderbarkeiten. Amandus gestand oft, noch immer wandle ihn, wenn er jemand unrecht getan, mitten in seiner Kränkung darüber die Neigung an, fortzubeleidigen, um sich selber so weit fortzukränken, daß er endlich vor Schmerz sich mit der heißesten Liebe ans versehrte fremde Herz werfen müßte. Aber, o lieber Amandus! wenn gerade ein Pädagog in Gestalt einer Moral die Tür aufgemacht hätte! –
    Man muß niemals glauben, als wollt’ ich hier persönlichen Groll an sämtlichen Hofmeistern auslassen: denn erstlich hatt’ ich gar niemals einen Hofmeister, zweitens war ich selber einer und ein rechter.

Zwölfter Sekto r
     
    Konzert – der Held bekommt einen Hofmeister von Ton
    Ich habe mich in einen neuen Ausschnitt begeben, weil ich darin dem Leser eine neue Person zu präsentieren habe – den Hofmeister meines Helden.
    Ich brauche keinen Menschen daran zu erinnern, daß der Rittmeister ein so närrisches, bald zu gefügiges, bald zu sprödes, moralisierendes, mutloses Ding, als ein Informator ist, in Scheerau suchte, damit sein Kind zu gleicher Zeit mit dem Lande einen Regenten bekäme. Nun hatt’ er eine Pate da, welche advozierte, musizierte, badinierte, lorgnierte und Welt hatte; aber er hatte nicht den Mut, ihr in einem Pädagogium, dessen Schuljugend auf einen Mann belief, die Lehrstelle anzutragen. Ich will es nur heraussagen, daß ich selber diese Pate und diese neue Person bin; aber es wird meiner Bescheidenheit mehr zustatten kommen, wenn ich mich in einem Sektor, wo ich so viel zu meinem Lobe vorbringen muß, aus der ersten Person in die dritte umsetze und bloß sage Pate, nicht ich.
    Diese Pate blies im Unterscheerauer Konzert, um mit der Flöte in die Sphärenstimme eines sehr jungen Fräuleins von Röper zu spielen, dessen Kehle sich oft kaum von der Flöte scheiden ließ. Die ganze Seele dieses Mädchens ist ein Nachtigallton unter Blütenüberhang; der Leib desselben ist eine fallende himmelreine Schneeflocke, die nur im Äther dauert und auf dem Kot des Bodens zerläuft. Dem Flötenisten fiel während den Pausen ein schönes, in phantasierende Aufmerksamkeit verlornes Kind in die Augen und auf das Herz: Gustav wars. Der erste Blick nach der Begleitung war auf die Nachbarschaft des Kindes, um den Eigner desselben zu finden – der erste Schritt, den die Pate tat, war zur andern Pate, zum Rittmeister, dessen Freundschaft mit mir bekannt genug

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