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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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und an der Grenze von Unter-Italien geboren; und kaufte sich, nach seiner Taufe und Mündigkeit, Hecheln und Mausfallen. Die wenigsten Deutschen wissen, daß sie die Italiener, bei denen dieser Handelzweig blühet, reich auskaufen. Unser Charakter schwang sich bald von einem Hechel-Kommissionär zu einem Hechel-Associé empor; er verfertigte die Mausfallen, die er aus Italien bezog, in Deutschland, und die Mauslöcher waren sein Ophir und die Flachsfelder seine Münzstädte. Die Hechel, die er vor dem Einkauf seines Adeldiploms an gegenwärtigen Tiermaler verkaufte, schlug er ihm für sechstehalb Gulden los.
    Er muß schon vor seiner Geburt in der andern Welt in einem großen Hause gehandelt haben; denn er brachte eine Kaufmann-Seele schon fertig mit. Es war nicht klug von mir, daß ichs nicht eher erzählet habe, daß er als Knabe von neun Jahren in seiner Blatterkrankheit einen kleinen Kaufladen aufsperrte und mit dem Pockengifte feil hielt, das man aus seiner Apotheke, nämlich von seinem Körper nahm zum Einimpfen. Er gab keine Blatter umsonst her, sondern verlangte sein Geld dafür und sagte, er sei ein Pocken-Sämereihändler, aber noch ein junger Anfänger. Diesen Handel mit eigner Manufaktur legt’ ihm bald der Arzt und die Natur, und der Doktor sagte, er sei so teuer wie ein Apotheker. Daher wollt’ er sogar selber einer werden.
    Er wurd’ auch einer, aber nach dem mecklenburgischen Idiotikon; denn in diesem heißet jeder Materialladen eine Apotheke. Nämlich in Unterscheerau änderte er die Religion und den Nährzweig und bauete sich einen Laden, der bloß für Käufer Hechel und Mausfalle war. Hier hielt er sich einen Ladenjungen, ein Küchenmensch, einen Friseur, einen Barbier und einen Vorleser des Morgensegens – alle diese Personen machten nur eine Person aus, seine eigne; diese war und tat wie ein Ensoph alles.
    Da bei unserem Schelm als einem unvollkommnen Charakter Tugenden in Fehler vererzt sein müssen – ich würd’ ihn sonst keinem Roman-Bauherrn antragen –: so nehme man mirs nicht übel, daß ich auch seine weiße Seite neben seine schwarze bringe, wie man auf böheimischen Tafeln immer weiße und schwarze Gerichte nebeneinander stellet.
    Er ging damals Sonntags aus seinem Laden bei aller erlaubter Sparsamkeit doch gut gekleidet heraus. Seinen Hut, seine Ringfinger und seine Weste bordierte echtes Gold; seinen Magen und seine Waden spann der Seidenwurm ein und seinen Rücken das englische Schaf. Es ist ganz der menschlichen Bosheit gemäß, das Verschwendung zu nennen, was hier seltene verheimlichte Wohltätigkeit war; alles, was der unvollkommne Charakter anhatte, waren – Pfänder; denn um die Leute vom Verpfänden abzubringen, drohte er jedem, jedes Pfand, worauf er leihe, würd’ er so lange anziehen, als es bei ihm stände. Auf diese Art hielt er manchen ab, und die Kleidung dessen, bei welchem menschenfreundliches Warnen nichts verfing, legte er wirklich Sonntags nach dem Essen an. Es war daher weniger Mangel an Geschmack als an Geiz und Härte, daß er an sich, so wie mehre Dienst-Personen, so auch mehre Kleider vereinigte und so bunt aufschritt wie ein Regenbogen oder wie eine Kleidermotte, die sich von Tuch zu Tuch durchfrißt.
    Da ich so gewiß weiß, daß Verschwendung ihn nicht verunzierte, so sehr es den Anschein hat: so will ich allen Anschein durch die Nachricht wegnehmen, daß er jeden Sonnabend sein Pfund Fleisch im Zölibate kaufte, aber – denn sonst bewiese es noch nichts – nicht aß. Er aß allerdings eines und mit dem Löffel; aber es war vom vorigen Sonnabend. Der unvollkommne Charakter holte nämlich jeden Sonnabend sein Andachtfleisch aus der Bank und veredelte und dekorierte damit sein Sonntag-Gemüs. Aber er nahm nichts zu sich als den vegetabilischen Teil. Am Montag hatt’ er den tierischen noch und würzte mit ihm ein zweites Gemüs – am Dienstage arbeitete das abgekochte Fleisch mit neuem Feuer an der Kultur eines frischen Krautes – am Mittwoch mußt’ es vor ihm mit matten Fettaugen auf einer andern Kräutersuppe liebäugeln – und so ging es fort, bis endlich der Sonntag erschien, wo das ausgelaugte Fleischgeäder selber zum Essen, aber in einem andern Sinne, kam und Röper das Pfund wirklich aß. Ebenso kann man mit einem Pfund Leibnizischer, Rousseauischer, Jakobischer Gedanken ganze Schiffkessel voll schriftstellerischen Blätterwerks kräftig kochen.
    Diese Sparsamkeit legierte der unvollkommne Charakter noch mit einigem Betrug. Er

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