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Säule Der Welten: Roman

Säule Der Welten: Roman

Titel: Säule Der Welten: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Schroeder
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Kunden sprechen.«
    Der Rest der Fahrt verlief schweigend. Venera rückte ihre Maske zurecht, sah sich um und bemerkte, wie sich die Schultern strafften und die Haltungen aufrechter wurden, je weiter die Schwerkraft anstieg und sich dem Wert näherte, an den sie gewöhnt war. Dann kam der Fahrstuhl mit einem dumpfen Schlag zum Stehen, und die Türen gingen auf.
    Die Handelsdelegation von Liris betrat vorsichtig den Großen Markt von Spyre.
     
    Fabelwesen fegten über die Tanzfläche, die Röcke schwangen im Takt der Spyre’schen Musik mit ihren tiefen Trommelschlägen. Die Wesen hatten die Gesichter von
Ungeheuern, von Tieren und von Göttern. Sie tanzten paarweise, und wenn die Musik pausierte, hielten sie mittendrin inne. In diesen Pausen wurden Geschäfte gemacht.
    Eine schmale Gestalt mit einer Falkenmaske vor dem Gesicht stand am Fuß eines Pfeilers aus gehämmertem Gold vor einem blauen Fresko mit scheinbar rotierenden Habitaten, das in Trompe-l’oeil-Technik ausgeführt war. Sie beobachtete die Tänzer aufmerksam und ahnte, welche Ströme von Verfolgungsangst und Verlogenheit Spyres Tiefen durchziehen mussten, damit sich solche Bräuche entwickeln konnten. Denn dieser filigrane, prächtige Ballsaal war der Große Markt.
    Gewiss, es gab auch Präsentationsflächen. Aus dem Augenwinkel sah sie Odess aus der Tür treten, die zu Liris’ Ausstellungsraum führte. Er war allein, und er hatte sicherlich nur die Anordnung der Glaskästen und die Stellung der Scheinwerfer kontrolliert. Seit sie hier war, hatte kein Kunde diese Tür passiert.
    Venera selbst hatte einige Stunden dort drin verbracht und den anderen beim Aufbau geholfen. Ein einzelner Kirschbaum in einer breiten Steinschale beherrschte den marmorgetäfelten Raum; seine rosafarbenen Blüten waren das Erste, was dem Besucher ins Auge fiel. Es war ein künstlicher Baum aus Seide und gewöhnlichem Holz.
    Während Liris’ Soldaten hinter einem Wandschirm im Salon saßen und Karten spielten, befand sich der Rest der Delegation auf dem Tanzboden. Die Musik war laut, und es wurde schnell und eng getanzt; die Unterhaltung bestand folglich in kurzem Flüstern ins Ohr des Partners, gelegentlichen Scherzen, die jeder
hören konnte, oder in vertraulichem Getuschel mit Nasenberührung. Lauscher hatten unter diesen Umständen keine Chance - außerdem achteten Spyres Soldaten sorgfältig auf jeden entsprechenden Versuch. Venera hatte man erklärt, alle Besucher würden auf Herz und Nieren überprüft, und auf Geheimnisverrat stehe die Todesstrafe. Ironischerweise war das Ambiente wie geschaffen für Schwindeleien und Betrug, denn wer konnte schon kontrollieren, was zwei beliebige Tänzer einander erzählten?
    Sie hatte auch gehört, dass die Tänze gelegentlich von spontanen Duellen unterbrochen würden.
    Die Bewohner von Spyre nahmen es mit der Maskierung sehr ernst. Für die Besucher galt das nicht unbedingt; die meisten verzichteten auf eine Verkleidung, und so konnte Venera feststellen, wie viele Prinzipalitäten hier vertreten waren. Sie erkannte sogar die eine oder andere Nationaltracht.
    Eine Gavotte ging zu Ende, und die Tänzer trennten sich. Eilen, die eine Gorgonenmaske trug, steuerte auf Venera zu. Ein Lakai wartete schon und reichte ihr ein Glas, als sie schwer atmend stehen blieb. »Ist das immer so?«, fragte Venera. »Die potenziellen Käufer scheinen mir ziemlich rar zu sein.«
    »Wir haben unsere Stammkunden«, sagte Eilen. »Aber dies ist nicht die richtige Jahreszeit für sie. Oh, diese Schwerkraft! Sie drückt mir auf den Magen.«
    Venera seufzte. Diese Leute waren so in ihren Traditionen befangen, dass sie gar nicht mehr merkten, wie aberwitzig das alles war. In der kurzen Pause zwischen den Tänzen waren einige Kunden mit exotisch maskierten Delegierten - oder Verkäufern - davongeschlendert.
Venera hatte darauf geachtet, wer durch welche Pforte ging. Viele der Türen in dem großen Saal waren kein einziges Mal geöffnet worden. Womöglich waren sie versperrt oder sogar von der anderen Seite her zugemauert.
    Die Architektur des Marktes blieb ihr ein Rätsel. Das weitläufige Gebäude mit den vielen Flügeln schien im Lauf der Jahrhunderte so oft restauriert, umgebaut und neu geplant worden zu sein, dass der ursprüngliche Grundriss vollkommen untergegangen war. Korridore endeten an nackten Wänden; Treppen führten ins Nichts; Fahrstuhlschächte mündeten in tosender Leere, wo einst Stockwerke gewesen waren. Hinter den Wänden der öffentlichen

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