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Säule Der Welten: Roman

Säule Der Welten: Roman

Titel: Säule Der Welten: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Schroeder
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Räume schlängelten sich zahllose schmale Gänge zu den Büros, den Schließfächern und den Schutzräumen der Handelsdelegationen. Liris’ Bereich umfasste mehrere Stockwerke über und unter dem öffentlichen Verkaufssalon; Venera hatte im Vorübergehen in einen riesigen düsteren Raum geschaut, der aussah wie ein baufälliger Ballsaal mit undichten, verschatteten Erkerfenstern. Eilen hatte ihr erklärt, hier habe man sich mit den Kunden getroffen, als die Kirschen noch Staatsgeheimnis waren. Der Ballsaal befand sich auf einem der besonders gesicherten Stockwerke; Liris verfügte immer noch über die Besitzrechte, hatte aber inzwischen keine Verwendung mehr dafür.
    Venera hatte nur höhnisch gelacht. »Hatte denn niemand den Mut, Gucklöcher in die Wände zu bohren, um herauszufinden, was die Nachbarn so treiben?« Odess hatte ihr einen seiner ängstlich strafenden Blicke zugeworfen, aber niemand hatte sich dazu geäußert.

    Oh, jetzt tat sich etwas - Capri, Eilens Lehrling, führte vier kostbar gekleidete Personen zur Liris-Tür. Die kleine Welle der Aufregung war absurd, und Venera hätte fast über sich selbst gelacht. Jetzt verneigte sich Odess vor der Gruppe und öffnete die Tür. Venera glaubte, ihn im Geist laut jubeln zu hören.
    »Wer ist das?«, fragte sie Eilen.
    »Oh! Was für ein Erfolg! Das ist - mal sehen - die Delegation von Tracoune.«
    Venera zermarterte sich den Kopf: woher kannte sie diesen Namen? Ach, jetzt hatte sie es. Erst vor zwei Wochen hatte sie mit ihrem Gemahl eine Abendgesellschaft in Gehellens Hauptstadt besucht. Ein Ereignis ohne besondere Höhepunkte, bis die Schießerei anfing, aber sie erinnerte sich an ein langes Gespräch mit einem rotgesichtigen General der dortigen Flotte. Er hatte Tracoune erwähnt.
    »Entschuldigen Sie, aber das möchte ich sehen«, sagte sie. Eilen zuckte die Achseln und wandte sich wieder der Tanzfläche zu. Venera tastete sich am Rand des Saales entlang und stieß die Tür zu Liris’ Ausstellungsbereich auf. Der Präsentationsraum befand sich am Ende eines mindestens fünfundzwanzig Meter langen Korridors. Sie hörte einzelne Wortfetzen, als sie darauf zuging.
    Odess zeigte den Besuchern gerade den Baum. Dann öffnete er ein Lack-Kästchen mit Kirschen. Capri wartete nervös im Hintergrund.
    Die vier Besucher wirkten nur mäßig beeindruckt. Einer von ihnen - eine Frau - trennte sich von der Gruppe und betrachtete gelangweilt die Bilder an den
Wänden. Sie schienen hier nur die Zeit totzuschlagen, vielleicht wollten sie eine Tanzpause einlegen. Das sah sogar Venera, die keinerlei Verkaufserfahrung hatte.
    Sie sprach die Frau an. »Entschuldigen Sie …« Sie bewegte sich ganz bewusst anders als Odess und Capri - die mit gefalteten Händen scheu wie Dienstboten hin und her huschten. Sie verbeugte sich wie eine Gleichgestellte.
    »Ja?« Die Kundin schien überrascht, aber nicht ungehalten.
    »Habe ich die Ehre, mit einer Bürgerin von Tracoune zu sprechen?«
    Die Frau nickte.
    »Ich hatte da neulich ein sehr aufschlussreiches Gespräch«, fuhr Venera fort. »Auf einem Fest in Gehellen. Es ging dabei um Tracoune.«
    Ein Hauch von Berechnung erschien im Blick der Frau. »Tatsächlich? Mit wem hatten Sie denn gesprochen?«
    »Mit einem General der Flotte von Gehellen, wie es der Zufall so will.« Odess hatte bemerkt, dass sie an einen Kunden herangetreten war (sein erschrockener Gesichtsausdruck sagte: »Die Neue ist auf freiem Fuß!«) und versuchte daraufhin immer wieder, Blickkontakt mit ihr aufzunehmen, während er gleichzeitig so tat, als widmete er seinen eigenen Gesprächspartnern seine volle Aufmerksamkeit.
    Venera lächelte. »Ich finde es sehr bedauerlich, dass Sie das Fest zu Ehren von St. Jackson in diesem Jahr ausfallen lassen mussten«, sagte sie zu der Interessentin. »Die Gehellesen spekulieren schon, dass Sie nächstes
Jahr um diese Zeit Ihre eigene Bevölkerung nicht mehr ernähren können. Was für eine plumpe Unterstellung.«
    »Haben sie das wirklich gesagt?« Das Gesicht der Frau verdüsterte sich. »So schwerwiegend war der Vorfall von Tibo nun auch wieder nicht.«
    »Das dachten wir uns schon«, erklärte Venera in verschwörerischem Ton. »Allerdings ist der äußere Anschein für die internationalen Beziehungen ungemein wichtig, nicht wahr?«
    Zehn Minuten später unterschrieben die Besucher auf der punktierten Linie. Venera stand mit verschränkten Armen hinter der völlig verblüfften Handelsdelegation von Liris. Dank der

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