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Säule Der Welten: Roman

Säule Der Welten: Roman

Titel: Säule Der Welten: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Schroeder
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Rotation des großen Rades erzeugt wurde; sie hatte ähnliche Stürme auf kleineren Rädern wie etwa Rush erlebt. Der Wind fuhr in Richtung der Rotationsachse in den Zylinder und schoss am Rand entlang
wieder hinaus. Wenn sie an dieser Stelle einfach von der Plattform spränge, würde sie ganz und gar von Spyre weggetragen, und das mit erheblicher Geschwindigkeit.
    Die vier Soldaten hatten den Auftrag, jeden zu erschießen, der diesen Versuch unternahm. Und von hier oben konnte sie sehen, dass auch noch mit anderen Mitteln für Gehorsam gesorgt wurde: durch den mittleren Luftraum zogen sich weitere Kabel mit Geschützplattformen, teilweise war deutlich zu erkennen, dass sie bemannt waren. Und in den sonnenbeschienenen Wolken jenseits des Rades schwebten noch mehr Unterstände und Geschütztürme. Jetzt erschien es Venera wie ein Wunder, dass sie in bewusstlosem Zustand einen Weg durch alle diese Hindernisse gefunden hatte und sicher gelandet war.
    »Vater wäre begeistert von dieser Welt«, murmelte sie.
    Für Chaison Fanning, ihren verschollenen Ehemann, wäre Spyre wahrscheinlich eine moralische Obszönität, die er am liebsten in die Luft sprengen würde.
    Sie stiegen mehrere Kilometer weit durch dünne Nebelfetzen und bauschige Wolkenpilze, die wie unruhige Engel zwischen den heranstürzenden und wegrasenden Stürmen schwebten; vorbei an Häusern und an Bunkern, die an anderen Kabeln festgemacht waren und deren blitzende Fenster nicht verrieten, was sich dahinter abspielte. Unter ihnen weitete sich der Blick auf Spyres Ländereien, der Flickenteppich von Besitzungen wurde zu einem faszinierenden Labyrinth; die Blockhäuser von einem Dutzend, von hundert oder noch mehr Nationen von Liris-Größe erschienen wie
aufgemalt auf der Innenseite des Zylinders. Mittendurch zogen sich, die Schienenstränge übersät mit Trümmern und bewachsen mit Wildblumen, die Eisenbahnen der Konservationisten.
    Währenddessen kam Klein-Spyre immer näher.
    Venera hatte schon einmal ein Räderwerk gesehen - im Herzen des toten Sargassums Leaf’s Choir. Chaison Fannings Schiffe hatten neben der an Luftmangel zugrunde gegangenen Stadt Carlinth geankert. Aber Carlinths bleiche Pracht konnte es mit den Wundern von Klein-Spyre nicht aufnehmen, denn die andere Stadt war im Tode erstarrt gewesen, und Klein-Spyre lebte. Die großen radförmigen Habitate, jedes bis zu einem Kilometer im Durchmesser, drehten sich entlang ihrer abgeschrägten Kanten wie in einem riesigen Uhrwerk. Die Bürger des einen Rades konnten an den Rand schlendern und einfach auf das nächste Rad treten, sobald dessen Felge auf Reichweite herankam. Alle Räder wurden durch ein Gitter aus riesigen Holmen und dicken Kabeltrossen, von denen schwarze Fahnen flatterten, in Formation gehalten.
    Nach einer Weile entzog sich die Seilbahn vollends dem Griff der Schwerkraft. Die Fahrgäste hängten ihre Metallkleidung an das Gitter und warteten, bis ihr Ziel in Sicht kam. Das Kabel endete mit Dutzenden von anderen in einem Knoten im Innern eines komplizierten Käfigs in der Achse eines Habitatrades. Venera sah andere Fahrgäste ein- und aussteigen. Sie bildeten kleine Gruppen, die es peinlich vermieden, einander zu nahe zu kommen.
    Aber sie sah noch etwas, und das gab ihr zum ersten Mal seit Tagen wieder Hoffnung: hier hatten Schiffe
angedockt. Schnittige Jachten zumeist, in vielen unterschiedlichen Formen und unter verschiedenen Flaggen - aber alle von außerhalb. Das eröffnete zum ersten Mal seit ihrer Ankunft hier die Aussicht auf eine Flucht, die tatsächlich glücken könnte.
    Sie klopfte Odess auf die Blechschulter und streckte die Hand aus. »Unsere Kunden?«
    Er nickte. »Pilger aus allen Prinzipalitäten Candesces kommen zu uns und freuen sich darauf, bei der Abreise irgendein Schmuckstück oder anderes Andenken mitzunehmen. Erkennen Sie eines der Schiffe?«
    Venera nickte. »Das da kommt von Gehellen.« Es war das einzige Fahrzeug, das sie zuordnen konnte, aber Odess war offensichtlich beeindruckt. »Ich weiß, dass wir ihnen Kirschen verkaufen wollen«, fuhr sie fort. »Aber womit handeln die übrigen Länder von Spyre?«
    Er lachte, und in diesem Moment kam die Plattform an ihrer Endstation zum Stillstand. Als sie wie Eisenspinnen auf die Achse hinüberkletterten, sagte Odess: »Womit sie handeln? Die Frage zeugt von erfrischender Ahnungslosigkeit. Wenn wir nur von der Hälfte unserer Nachbarn wüssten, womit sie handeln, könnten wir einen zusätzlichen Vorteil für

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