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Säule Der Welten: Roman

Säule Der Welten: Roman

Titel: Säule Der Welten: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Schroeder
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erfasst, nach vorne und dann nach unten gerissen und durch diese kreischende, spritzende Wunde hinaus ins All geschleudert zu werden.
    »Das - das ist Wahnsinn!« Sie ging in die Hocke und klammerte sich an einem Steinblock fest. Der Wind schlug ihr die Lederkleidung nur so um die Ohren. »Und du willst, dass ich da hineinrenne?«
    »Nein, nicht rennen! Kriechen! Denn da oben - siehst du? Da ist deine vierte Alternative.« Sie kniff die Augen
zusammen und folgte dem Weisen seiner Hand, sah aber zunächst gar nichts. Dann blinzelte sie und schaute noch einmal genauer hin.
    Spyres Außenhaut war nach allen Seiten auf mehr als einen Kilometer abgeschält worden. Das riesige Loch musste das ganze Rad aus dem Gleichgewicht gebracht haben - Türme, Farmen, Fabriken und womöglich ganze Dörfer waren nach draußen gerissen und in Virgas Tiefen geschleudert worden, eine Katastrophe, unter der das ganze Gebilde auseinanderzubrechen drohte. Aus irgendeinem Grund waren die Ablösung und der Zerfall irgendwann zum Stillstand gekommen - aber die in einem stehenden Wirbel austretende Luft musste Spyre so sehr destabilisiert haben, dass seine völlige Zerstörung unmittelbar bevorgestanden hatte.
    Das war die Erklärung für die Entstehung der Konservationisten-Vereinigung und den erbitterten Krieg, den sie geführt hatte, um ihre Schienen um ganz Spyre legen zu können. Das unstete Flattern des Rades konnte nur stabilisiert werden, wenn man zum Ausgleich anderswo massive Gewichte an der Felge anbrachte. Zu flicken war ein solches Loch nicht.
    Jenseits der Bruchstelle war alles hinausgerissen worden, als sich die Haut abschälte - mit einer Ausnahme. Etwa fünfhundert Meter vom Rand entfernt erhob sich auf der Ebene der Stahlträger ein einsamer Turm. Er hatte den großen Vorteil, dass er auf einem tragenden Kreuzungspunkt von Spyres Skelett errichtet worden war. Auch mochte er einst Teil einer Fabrik mit besonders verstärktem Fundament gewesen sein, denn Venera sah, dass sich unterhalb der Träger dicke Rohre und riesige Tanks wie die Wurzeln eines Baums
nach außen streckten. Der Turm selbst war so schwarz wie die Wolken, die ihn einrahmten, und er schwankte träge unter der Wucht des Sturms. Die Träger schaukelten ihn wie einen Akrobaten in einem Netz.
    Ihr wurde schon übel, wenn sie ihn nur ansah. »Was ist das?«
    »Der Buridan-Turm«, sagte Diamandis. »Er ist unser Ziel.«
    »Wieso? Und wie sollen wir ihn erreichen? Durch … das da ?«
    »Mit unserem Mut, Lady Fanning - und meinem Wissen. Ich kenne einen Weg, du musst mir nur vertrauen. Und was das Wieso angeht - das ist noch ein Geheimnis, aber du wirst es uns beiden enthüllen.«
    Sie schüttelte den Kopf, aber aufgeben wollte sie auch nicht. Wenn sie bei diesem verrückten Abenteuer nicht vorwärtsstrebte, würde die Anspannung nachlassen - und ihr Verstand würde wieder einsetzen. Die Trauer trieb sie weiter, sie musste sich aktiv gegen das Denken wehren. Sie wartete, während ihr der Wind die Tränen in die Augen trieb, und irgendwann nickte Diamandis entschieden und winkte ihr: Komm!
    Nach jedem Felsen, jedem eingeklemmten Ast greifend, der Halt versprach, krochen sie über die letzten zweitausend Quadratmeter der Hülle. Als sie sich einem großen Riss in der Metallverkleidung näherten, sah Venera, wo Diamandis hinstrebte, und hielt es allmählich für denkbar, dass die Querung doch möglich wäre.
    Hier verlief unter der Erdschicht und unter Spyres Hülle ein dickes Rohr. Es war mit rostigen Metallbändern an den Trägern befestigt und stellenweise gebrochen,
reichte aber weit in die Bresche hinein und schien geradewegs auf den schwankenden Buridan-Turm zuzulaufen.
    Diamandis hatte in dem Rohr ein Loch gefunden, das von einer bizarr geformten Sanddüne verdeckt wurde. Er ließ sich in die schwarze Öffnung hinab, und sie folgte ihm; sofort ließ das Kreischen des Windes nach und wurde erträglich.
    »Ich will gar nicht wissen, wie du darauf gestoßen bist«, sagte sie, nachdem sie sich den Sand abgeklopft hatte. Er grinste.
    Das Rohr hatte einen Durchmesser von etwa zweieinhalb Metern. Wenn sie daran entlangschaute, sah sie, perspektivisch verzerrt, einen Trichter aus fleckigem Metall und verkrusteten Ablagerungen. Hinter ihr war es bedrohlich dunkel; vor ihr drang Candesces Licht durch Hunderte von Löchern und Rissen. Bei dieser Beleuchtung betrachtete Venera kritisch ihre Route. »Da fehlen ganze Abschnitte«, stellte sie fest. »Wie überwinden wir die

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