Säule Der Welten: Roman
Gebäude verschafft hatte - durch ein Loch im Mauerwerk, das zu einem verlassenen Luftschacht führte. Garth hatte die ersten Meter des dahinter liegenden Tunnels erkundet; Venera fürchtete, die Rebellen könnten Fallen zurückgelassen haben.
»Der Geruch war das Erste, was mir auffiel«, sagte sie in der nächsten Verschnaufpause. »Anders als alle Fische oder Vögel, die ich kenne. Unangenehm, aber man könnte sich vermutlich daran gewöhnen. Die Pferde standen auf einer sogenannten Koppel - einer Art Gefängnis für Tiere. Aber diese Tiere … Sie waren riesig!«
Vom Zentralkorridor drangen Stimmen und laute Schläge herüber. Zwei der Arbeitstrupps, die Garth an diesem Tag eingestellt hatte, debattierten darüber, wer von ihnen in den Küchenräumen anfangen sollte.
Schatten huschten über die Kellertür. Das Haus wimmelte jetzt von Menschen. Überall brannten Laternen, und laute Gespräche, Hammerschläge, das Kreischen von Sägen und das Poltern von Rollwagen hallten von
den Wänden wider. Venera hoffte, dass der Lärm die Nachbarn wachhalten würde. Sie hatte eine Woche Zeit, um dieses Haus für Gäste herzurichten, und dazu waren eine funktionierende Küche, ein Ballsaal, wo nicht der Stuck von der Decke fiel und wo es nicht nach Fäulnis roch - und natürlich ein gut gefüllter Weinkeller unverzichtbar. Die Rebellen hatten alle Spuren ihrer Anwesenheit beseitigt, als sie den Rückzug antraten, aber das Loch, durch das sie eingedrungen waren, hatten sie zurückgelassen. Da das Haus nur einen Eingang hatte - die Hintertüren waren noch nicht freigelegt -, war es Venera sinnvoll erschienen, dieses Schlupfloch offen zu halten. Aber ein geheimer Ausgang sollte auch geheim bleiben; daher das Weinregal.
»Gut so«, sagte sie, als der Abstand zur Wand noch etwa einen Meter betrug. »Jetzt werde ich den Boden unter dem Loch einfetten, damit wir das Regal leicht zur Seite schieben können, falls wir schnell verschwinden müssen.« Sie stellte die Dose, die sie einem der Arbeiter abgenommen hatte, auf den Boden und krempelte die Ärmel hoch.
»Wir müssen irgendwann noch einmal nach Fallen suchen«, bemerkte er sachlich.
Venera blinzelte zu ihm auf. »Schon möglich, aber nicht mehr heute Abend. Du siehst aus, als würdest du gleich zusammenbrechen, Garth. Ist es die Schwerkraft?«
Er verzog das Gesicht und nickte. »Und natürlich mein Alter. Wenn du das ungewohnte Gewicht berücksichtigst, habe ich mir in den letzten Tagen so viel zugemutet wie seit langem nicht. Ich dachte zwar, ich wäre gut in Form, aber …«
»Dann befehle ich dir hiermit, zwei Tage freizunehmen. Um die Arbeiter kümmere ich mich. Am ersten Tag ruhst du dich aus, und am zweiten könntest du dich dann der … der Angelegenheit widmen, über die du mit mir nicht reden willst.«
»Was denn für eine Angelegenheit?«, fragte er mit Unschuldsmiene.
»Schon gut.« Sie lächelte. »Ich verstehe dich ja. Du lebst schon lange in der Verbannung. Hast viel Zeit gehabt, über die Leute nachzudenken, die dich dorthin geschickt haben. Ich nehme an, du hast deine Rache bis ins Kleinste geplant.«
Garth schien schockiert. »Rache? Nein, das ist es nicht - zugegeben, in den ersten Monaten habe ich sicher oft darüber nachgedacht. Aber irgendwann überwindet man jeden Groll. Nach ein paar Jahren sieht man die Dinge wieder nüchtern.«
»Und genau darin liegt die Gefahr, nicht wahr? In meiner Familie hat man uns beigebracht, unseren Groll zu hegen und zu pflegen, damit wir ihn nie vergessen.«
»Aber wieso denn?« Aus irgendeinem Grund schien er aufrichtig bestürzt zu sein.
»Sobald man vergibt«, sagte sie, als rede sie mit einem kleinen Kind, »macht man sich zum Opfer für den nächsten Verrat.«
»Das hat man dir beigebracht?«
»Lass keine Kränkung ungesühnt«, sagte sie und war sich nur halb bewusst, dass sie Sätze zitierte, die ihr Vater und ihre Schwestern unzählige Male wiederholt hatten. Sie zählte die einzelnen Punkte an den Fingern ab. »Lass dich niemals ungestraft beleidigen, vergiss
nichts, schmiede realistische Rachepläne. Du stehst entweder über oder unter anderen, und du willst immer oben sein. Wenn sie dir wehtun, musst du zurückschlagen.«
Er sah sie traurig an. »Ist das der Grund, warum du diesen Aufwand betreibst?« Er deutete auf die Wände ringsum. »Um es jemandem heimzuzahlen?«
»Um erst einmal heimzu kommen «, sagte sie mit tiefem Ernst, »muss ich meine Rache nehmen. Sonst liege ich für immer am Boden
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