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Säule Der Welten: Roman

Säule Der Welten: Roman

Titel: Säule Der Welten: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Schroeder
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sorgfältig gestutzten Schnurrbart und auf der Wange eine Narbe wie von einem Duell. »Wer sind Sie?«, fragte er amüsiert, in schleppendem Ton, aber mit kultivierter Aussprache.
    Sie verneigte sich. »Amandera Thrace-Guiles zu Ihren Diensten. Oder vielleicht eher umgekehrt?«
    Er grinste höhnisch. »Wir sind niemandes Diener. Und Sie werden noch bedauern, uns gesehen zu haben. Jetzt müssen wir …«
    »Schnauze!«, fuhr sie ihn an. »Ich ergreife in diesem Spiel keine Partei, weder für Sie noch für Spyre. Ich verfolge eigene Pläne, aber für Ihre Ziele könnte es von Vorteil sein, mich als mögliche Verbündete zu betrachten.«
    Wieder diese amüsierte Überraschung. Jetzt hörte Venera Stimmen vom Korridor her. »Sie müssen ganz leise sein«, sagte sie, »und alle Lichter löschen.« Dann trat sie zurück, fasste nach der Tür und zog sie zu.
    Schwankende Lichter näherten sich durch den dunklen Gang. »Lady Thrace-Guiles?« Das war Adays Stimme.
    »Da bin ich. Meine Laterne ist ausgegangen. Aber hier unten gibt es wohl doch nichts von Interesse. Wollen wir uns die oberen Stockwerke ansehen?«

    »Wie Sie meinen.« Aday blickte sich abfällig um. »Das scheint eher der Bereich der Domestiken zu sein. Ja. Lassen Sie uns umkehren.«
    Sie entfernten sich schweigend, und Venera lauschte angestrengt auf verräterische Geräusche von hinten. Doch alles blieb still. Endlich sagte Aday: »Was verschafft uns die Ehre Ihres Besuches? Kehrt Buridan in die Reihe der großen Nationen zurück? Werden Sie den Pferdehandel wiederaufnehmen?«
    Venera schnaubte verächtlich. »Sie wissen doch genau, dass im Turm kein Platz war, um solche Tiere zu halten. Wir konnten auf den Dachgärten und in den Netzen, die wir unter der Welt aufspannten, kaum genügend Nahrungsmittel für unseren eigenen Bedarf anbauen. Nein, es gibt keine Pferde mehr. Und ich bin die letzte Überlebende aus meiner Linie.«
    »Soso.« Sie stiegen die lange nicht mehr benützte Treppe zu den oberen Räumen empor. »Sie mögen die Letzte ihrer Linie sein … aber eine Linie kann man auffrischen«, begann Aday taktvoll. »Und was die Pferde angeht … so kann ich Ihnen die erfreuliche Mitteilung machen, dass Sie sich im Irrtum befinden.«
    Sie warf ihm einen schiefen Blick zu. »Was soll das heißen? Spielen Sie gefälligst nicht Katz und Maus mit mir.«
    Aday lächelte. Zum ersten Mal schien er sich seiner Sache sicher zu sein. »Es gibt noch Pferde, meine Gnädigste. Sie werden auf Kosten der Regierung auf Koppeln in Groß-Spyre gehalten. Sie waren immer da, all die Jahre über. Sie haben auf Ihre Rückkehr gewartet.«

9
    Venera war noch kaum wach und stellte sich vor, das Kissen, das sie umarmte, sei Chaisons Rücken. Sie fühlte sich sicher und geborgen, und das war so selten, dass ihr ihr übriges Leben im Vergleich dazu wie eine trostlose Wüste vorkam. Alles, was sie jemals getan hatte, jede Schulstunde, jeder Wettstreit mit ihren Schwestern, jedes Panik auslösende Verhör durch ihren Vater, all die Manipulationen und Lügen, wurde ausgelöscht durch die Stille, seinen Atem, seinen Geruch, seinen Nacken an ihrem Kinn.
    »Raus aus den Federn, Gnädigste!«
    Garth Diamandis zog die Vorhänge zurück, dahinter wurde eine Ziegelmauer sichtbar. Er machte ein empörtes Gesicht, als ihm der Samt unter den Fingern zerriss. Ringsum wirbelten im Schein der Laterne dichte Staubwolken auf.
    Venera setzte sich auf, und der Schmerz schoss ihr wie ein Messer durch den Unterkiefer. »Verschwinde!« Sie schlug um sich und suchte nach einer Waffe. »Raus hier!« Ihre Hände ertasteten die Laterne, und sie schleuderte sie - nicht unüberlegt, eher mit boshaftem Vergnügen - mit aller Kraft nach ihm.
    Garth duckte sich, und die Laterne zerschellte an der
Wand. Die Kerzenflamme züngelte an den Gardinen hoch, und die fingen prompt Feuer.
    »Oh! Das war keine gute Idee!« Garth riss die Gardinen herunter, holte einen Schürhaken vom Kamin und schlug damit auf die Flammen ein.
    »Hast du nicht gehört ?« Sie warf die muffigen Decken von sich und rannte auf ihn zu. Unterwegs schnappte sie sich ein abgebrochenes Stuhlbein und schwenkte es wie ein Schwert. »Raus mit dir!«
    Er parierte mühelos und schlug ihr die provisorische Waffe mit einer kleinen Drehung des Handgelenks aus der Hand. Dann rammte er ihr den Schürhaken in den Magen.
    »Uff!« Sie setzte sich hin. Garth fuhr fort, die Flammen auszuschlagen. Das alte Schlafgemach der Buridan-Sippe füllte sich mit

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