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Säule Der Welten: Roman

Säule Der Welten: Roman

Titel: Säule Der Welten: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Schroeder
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gut. Oder brich deinen verdammten Krieg vom Zaun und töte zehntausend Unschuldige, mir ist es egal! Nur geh mir aus den Augen!«
    Bryce wurde dunkelrot vor Zorn, aber er rührte sich nicht von der Stelle. Endlich kam er mit steifen Schritten zurück und starrte Venera finster an. Sie wich seinem Blick nicht aus.
    »Bringt dieser Frau ein Blatt Papier«, sagte er. »Sie werden jetzt diese Anweisung schreiben«, sagte er leise, »dann werden wir ja sehen, was wir im Buridan-Turm finden können.«
     
    Die Straßen hatten sich seit seiner Kindheit nicht verändert. Garth Diamandis wandelte auf vertrauten Wegen,
aber er war so lange fort gewesen, dass er alles mit neuen Augen sah. Sein Habitatrad, das offiziell den Namen Rad 3 trug, wurde schon seit Jahrhunderten Hammerlong genannt. Die Felge aus genietetem Eisen hatte einen Durchmesser von mehr als anderthalb Kilometern, und ihre Innenseite, auf der die Gebäude standen, war beinahe halb so breit. Das Rad drehte sich seit fünfhundert Jahren. In dieser Zeit waren Hammerlongs reich verzierte Gebäude Dutzende von Malen umgebaut worden - oder auch nicht, wenn sie hartgesottene Verweigerer beherbergten. Neubauten hatten ihre Strebepfeiler gegen die Schulter von älteren Häusern gestützt, als die Bevölkerung wuchs, wieder schrumpfte und von neuem wuchs. Das Rad war so oft repariert, verstärkt, umgemodelt und durch Unwuchten aus dem Gleichgewicht gebracht worden, dass sein beständiges Knirschen und Ächzen für seine Bürger wie eine Hintergrundmusik war, die sie gar nicht mehr wahrnahmen. Und überall roch es nach Rost.
    Wegen der herrschenden Raumnot hatten die Bewohner des Rades neue Gebäude zwischen schon bestehende gezwängt, von der Felge aus schraubenförmig nach innen und außen gebaut und das Neue über das Alte wachsen lassen. Windschnittige Türme hingen wie Messerklingen unter der Felge, auf ihre untersten Stockwerke drückten fast zwei Schwerkrafteinheiten. Die darüber gestapelten Wohneinheiten konvergierten, bis sie die Straßen und eine zweite Reihe von Boulevards überschatteten. Wo sich das Gewicht verringerte, hatte man sogar eine dritte Reihe gebaut. Wendeltreppen, Fahrstuhlkabel, uralte, verrostete Speichen und leckende Rohre fügten sich zu einem wirren Knoten
in der rauchverhüllten Achse. Dort drängten sich die Schiffe und Fähren wie hungrige Fliegen.
    Hammerlong schien wie dafür gebaut, sich zu verstecken, und so tat die Bevölkerung genau das. Die meisten Bürger stammten schließlich aus Nationen mit Sitz auf Groß-Spyre und brachten die Verfolgungsängste dieses Reichs mit in die Stadt. Wer auf Hammerlong und den anderen Rädern geboren und aufgewachsen war, zeigte sich offener, aber diese Menschen bildeten eine Klasse für sich und hatten in ihren eigenen Habitaten weniger Rechte. Wo sie sich selbst überlassen blieben, pflegten sie in den Gassen, Luftschächten und Kriechgängen der vielfach geschichteten Stadt eine eigene Schattenkultur und Schattenwirtschaft.
    Garth befand sich auf einer Straße der dritten Ebene, als ihn das Heimweh so heftig überfiel, dass er stehen bleiben musste. In seiner Fantasie füllte er Lücken in den Scharen, die hin und her eilten wie schwarz gekleidete Ameisen. Er sah die Schwerenöter seiner Jugend mit ihren Pistolen an den Hüften breitbeinig daherstolzieren und die jungen Mädchen hoch oben an den Balkonbrüstungen lehnen und betont in eine andere Richtung schauen. Dutzende von Malen war er diese Straßen entlanggegangen, gelaufen oder geflüchtet.
    Einige seiner Freunde von damals waren tot, andere waren weitergezogen, hatten Familien gegründet, waren zu Wohlstand gekommen und hatten ihre Jugend verleugnet. Wieder andere … Die Gefängnisse seien immer noch voll, hatte ihm einer von Venera Fannings neuen Zimmerleuten erst heute Morgen erzählt. Und wenn man lesen konnte und wusste, wo man hinzusehen hatte … Ja, da war es, ein krakeliges Graffito drei Meter
über der Brüstung an der Wand. Mit Kreide geschrieben; kaum zu erkennen, wenn man nicht gezielt danach suchte. WEG MIT EDIKT I! , forderten die spitzen Buchstaben.
    Garth lächelte. Ach ja, die Naivität der Jugend. Edikt I war vor so langer Zeit erlassen worden, dass die meisten Bürger von Spyre gar nicht mehr wussten, dass es existierte, und seine Bedeutung nicht verstünden, wenn man es ihnen beschriebe. Spyres junge Hitzköpfe waren anscheinend immer noch politisch interessiert, und immer noch so unfähig darin, für ihre Pläne zu

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