Säule Der Welten: Roman
doch.« Er kramte in seiner Jacke und förderte ein abgegriffenes schwarzes Büchlein zutage. »Das ist der
Beweis. Und der Schlüssel, mit dem man diese Regierungsform zurückholen kann.« Er hielt das Buch in die Höhe, aber Venera war in ihrer Mobilität so eingeschränkt, dass sie den Titel nur mit Mühe entziffern konnte: Rechte als Währung, 29. Auflage.
»Das ist das Handbuch«, erklärte er. »Das Original aus den Geheimbibliotheken einer der großen Nationen. Dieses Buch erläutert, wie eine auf Austausch basierende emergente Demokratie funktioniert, und gibt auch ein Beispiel.« Er schlug den Band auf und entnahm ihm mehrere zusammengefaltete Scheine. Die legte er so auf den Tisch, dass sie sie sehen konnte. »Menschen haben schon immer Verhaltensregeln aufgestellt«, sagte er mit einem liebevollen Blick auf die Scheine, »aber ursprünglich entstanden sie eher zufällig, wurden von Anekdoten gestützt und von Soldaten und Polizisten durchgesetzt. Dieses System basiert auf der menschlichen Gewohnheit des Kaufens und Verkaufens - nur kann man mit diesem Geld keine Dinge kaufen. Jede Note steht für ein bestimmtes Recht .«
Sie beugte sich aufmerksam vor. Auf einem rosaroten Rechteck war das Wort GERICHTSVERFAHREN aufgedruckt, und darunter befanden sich zwei Spalten Text in winziger Schrift. »Hier steht, gegen welche anderen Scheine man diesen hier eintauschen kann«, ergänzte Bryce hilfsbereit. »Auf der Rückseite wird beschrieben, was man tun kann, wenn man den Schein hat. Dieser Schein erlaubt es Ihnen, ein Gerichtsverfahren anzustrengen, wenn Sie dazu bestimmte andere Scheine vorweisen können, aber um ein Urteil zu fällen, müssen Sie ihn eintauschen. Das heißt, Sie können ihn nur an jemanden weitergeben, der nicht die richtige Kombination
von Scheinen für einen Richterspruch besitzt und diesen Schein hoffentlich an jemanden verkauft, der ihn dann an Sie zurücktauscht. Das System ist also nicht statisch; es muss durch beständige Tauschaktionen am Leben erhalten werden.«
Venera sah sich einen anderen Schein an. Darauf stand: DU KOMMST AUS DEM GEFÄNGNIS FREI . Wenn das Buch, das Bryce da in der Hand hielt, echt war, dann war es unbezahlbar. Menschen suchten nach diesen verschollenen Grundsätzen schon länger als nach dem letzten Schlüssel zu Candesce. Venera hatte nie geglaubt, dass sie wirklich existierten.
Sie zuckte demonstrativ die Achseln. »Und weiter?«
Der junge Revolutionär raffte die Scheine zusammen: »Eine solche Währung kann man nicht einfach drucken «, erklärte er und legte dabei einen jugendlichen Eifer an den Tag, den sie unter anderen Umständen liebenswert gefunden hätte. »Die Rechte, die Klassifizierungen, die Stückelungen, die Bestimmungen, mit wem man tauschen kann - all das muss durch aufwendige Modellierungen ganzer menschlicher Gesellschaften ermittelt werden. Man erstellt in einem Rechner ein Modell einer Gesellschaft und spielt verschiedene Interaktionen durch … Dann führt man die Zahlenverhältnisse und die Beziehungen zwischen den Scheinen in einer Liste auf. Schließlich bringt man sie in Umlauf, und aus den Tauschvorgängen entsteht eine Gesellschaftsordnung - ohne dass Institutionen den Prozess behindern würden. Ganz einfach.«
»Richtig«, sagte Venera. »Und ich möchte wetten, dass dieses Buch nicht für eine Welt wie Virga bestimmt war. Sind diese Regeln nicht für Menschen gedacht, die
auf einer flachen Welt leben, auf einem ›Planeten‹? In den Legenden heißt es, die emergenten Systeme seien aus ebendiesem Grund verschwunden, weil ihre Regeln hier nämlich nicht anwendbar waren.«
»Die alten Zahlenverhältnisse nicht, das ist wahr«, räumte er ein. »Aber die Scheine an sich … die haben überdauert. Zumindest können sie dazu dienen, Ihre Institutionen auf ein Mindestmaß zu reduzieren, selbst wenn sie sich nicht vollständig abschaffen lassen. Das gedenken wir zu beweisen, und hier fangen wir damit an.«
»Ein sehr ehrgeiziger Plan.« Venera fiel plötzlich auf, wie er sie ansah. Da man ihr die Arme hinter dem Rücken gefesselt hatte, reckte sie dem jungen Mann ihre Brüste entgegen, und er weidete sich ganz offensichtlich an ihrer Verlegenheit. Zum ersten Mal, seit man sie hierhergebracht hatte, war ihr inneres Gleichgewicht erschüttert.
Mühsam fand sie den Faden wieder. »Aber das tut alles nichts zur Sache. Wir sprachen darüber, dass ich als freie Frau besser in der Lage bin, Ihnen zu helfen, denn als gesellschaftlicher
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