Säule Der Welten: Roman
eine Pistole unter das Kinn. Ihre Männer strömten um
sie herum wie Wasser in ein Rohr. Sie bedeutete ihrem Gefangenen, sich hinzuknien. Thinblood meldete: »Auf dieser Seite ist die Luft rein, aber da vorn hinter der Ecke ist ein zweiter Mann.«
»Halten Sie ihm eine Pistole vor die Nase, dann fügt er sich schon ein.« Sie wartete, bis einer der Liris-Soldaten den Wärter gefesselt hatte, dann sagte sie: »Es ist kalt hier drin. Bryce, wo ist meine Jacke?«
»Hab sie nicht gesehen«, behauptete er mit Unschuldsmiene, doch als Venera ihn drohend ansah, marschierte er zurück und holte sie ihr.
Im Korridor war es nicht völlig still, hinter den anderen Türen wurde gehustet, und fragende Stimmen wurden laut. Es war tatsächlich ein Zellenblock. Venera rannte von Tür zu Tür. »Aufstehen! Ja, Sie! Wer sind Sie? Wie lange sind Sie schon hier?«
Es waren Männer und Frauen, auch einige Kinder. Sie trugen ganz unterschiedliche Kleidungsstücke, manches war ihr aus ihrer Zeit in Spyre vertraut, anderes stammte wohl von außerhalb, vielleicht aus den Prinzipalitäten. Die ersten zögernden Antworten waren vom Akzent her ähnlich vielfältig. Alle Gefangenen wirkten wohlgenährt, aber Angst und Schlafmangel hatten ihre Gesichter gezeichnet.
Garth Diamandis war nicht unter ihnen.
Venera verhehlte ihre Enttäuschung nicht. »Sag mir, wo die übrigen Gefangenen sind, oder ich jage dir eine Kugel ins Gehirn!«, befahl sie dem Wärter. Er lag auf den Knien, sie drückte ihm das Gesicht gegen die Wand und hielt ihm die Pistole an den Hinterkopf. »Und bedenke«, fügte sie hinzu, »dass wir sie notfalls auch alleine finden, es dauert nur etwas länger. Also, ich höre?«
Er beschrieb ihr sehr eingehend den Grundriss des Turmes und erwähnte auch, wo die Nachtwache stationiert war und wann sie ihre Runde machte. Venera hatte bisher noch keine Wachen gesehen; für eine Nation, die zum Krieg rüstete, benahm sich Sacrus auffallend sorglos. Als sie das aussprach, lachte ihr Gefangener hysterisch auf.
»Hier ist noch nie jemand ein- oder ausgebrochen«, murmelte er, den Mund an der Wand. »Wer sollte schon eindringen? Und von woher?« Er wollte den Kopf schütteln, aber es gelang ihm nicht. »Ihr müsst wahnsinnig sein.«
»Wahnsinn ist in Spyre weit verbreitet«, gab sie gekränkt zurück. »Ihr seid also selbst schuld.«
»Sie haben nichts verstanden«, krächzte er. »Aber das kommt schon noch.«
Venera war bereits sein leichter, bequemer Panzer aufgefallen, und die Waffen in seinem Halfter waren von ähnlicher Schlichtheit. Man legte hier großen Wert auf Zweckmäßigkeit, ein krasser Gegensatz zu der exotischen Aufmachung eines großen Teils ihrer Begleiter. Diese Beobachtung weckte mehr Befürchtungen, was Sacrus’ Fähigkeiten anging, als alles, was der Mann gesagt hatte.
Eine Weile bemühten sie sich, noch mehr aus ihm und seinem Kameraden herauszuholen. Weder die beiden noch die Gefangenen, die sie befragten, wussten über Sacrus’ Pläne Bescheid - nur, dass eine Generalmobilmachung ausgerufen worden war. Die Gefangenen kamen aus allen Prinzipalitäten, einige waren erst vor kurzem in Spyre verschwunden.
»Das sind genügend Beweise, um Sacrus vor dem Obersten Gericht für Verbrechen gegen das Gemeinwesen
anzuklagen«, krähte Bryce. »Wir müssen es nur schaffen, ein paar von den Leuten hier herauszuholen.«
Venera schüttelte den Kopf. »Es könnte genügen, um den Rest von Spyre auf die Barrikaden zu bringen. Aber solange wir keinen vernünftigen Plan haben, um alle lebend von hier wegzubringen, lassen wir sie lieber, wo sie sind. Wenn wir sie jetzt auf freien Fuß setzen, werden sie wahrscheinlich versuchen, durch Maschinengewehrfeuer und Stacheldraht zu den Außenmauern zu gelangen, und uns dadurch verraten. Zumindest müssen wir ihnen ein paar Waffen besorgen und ihnen zeigen, in welche Richtung sie laufen sollen.«
Bryce und Thinblood wechselten einen Blick. Dann setzte Bryce sein irritierendes Lächeln auf. »Ich habe eine Idee«, sagte er. »Wir schließen einen Kompromiss …«
Es gab viele Zellen in diesem Block, aber Garth fanden sie in keiner davon. Während Venera weiter nach ihm forschte, nahm Thinblood den größeren Teil des Teams mit auf die Suche nach der Nachtwache. Fast fünfzehn Minuten vergingen, bis sie zurückkamen.
Thinblood war in Hochstimmung. »Beide Stockwerke sind gesichert«, sagte er. »Wir haben die Wachen in einer Abstellkammer gelassen. Und mein Schweißer hat die
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