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Säule Der Welten: Roman

Säule Der Welten: Roman

Titel: Säule Der Welten: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Schroeder
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sogar ganze menschliche Körper zu entsorgen«, sagte er. »Ich denke eher an einen Obduktionsraum.«
    »Die Werkstatt eines Vivisektionisten?« Thinblood kam allmählich auf den Geschmack.
    »Mund halten!«, befahl Venera. Sie war an die einzige Tür getreten und lauschte. »Scheint alles ruhig zu sein.«
    »Es ist schließlich tiefe Nacht«, bemerkte der Konservationist. Inzwischen schossen weitere Mitglieder ihres Trupps aus dem Boden. Wie Schachtelteufelchen, nur ohne das Aufziehgeräusch, ging es Venera durch den Kopf.
    Bald drängten sie sich zu zwanzigst in dem ominösen Kämmerchen. Venera öffnete die Tür einen Spaltbreit und spähte in einen größeren dunklen Raum voller Rohre, Kessel und Metallbehälter. Das war wohl die Wartungsetage des Turms. Eine logische Schlussfolgerung.
    »Ist eigentlich jedem klar, was wir hier vorhaben?«, fragte sie.
    Thinblood schüttelte den Kopf. »Keinen blassen Schimmer.«
    »Wir suchen nach meinem Diener Flance«, sagte sie, »und nach Informationen darüber, was Sacrus plant. Wenn wir kämpfen müssen, erregen wir dabei möglichst viel Aufsehen, so dass Sacrus sich seine Strategie
noch einmal überlegt. Deshalb die Sprengladungen.« Sie nickte zu der schweren Segeltuchtasche hin, die einer der Soldaten mit sich schleppte. »Unsere erste Aufgabe besteht darin, diese Etage zu sichern und dann einige von den Sprengladungen zu zünden. Los jetzt!«
    Damit verließen Soldaten aus einem halben Dutzend Nationen den Brückenkopf und wagten sich unter ihrer Führung im Dunkeln auf feindliches Gebiet vor.

15
    Im Grey-Hospital schien alles darauf angelegt, Verfolgungsängste zu wecken. Die Wände der Korridore waren mit großen schwarzen Filzbahnen verhängt, die bei jedem Luftzug in Bewegung gerieten, so dass jedes Mal der Eindruck entstand, jemand hätte sich dahinter versteckt. Die Gänge wurden von Laternen auf Metallpfählen erhellt; man konnte die Pfähle drehen, um das Licht hierhin oder dorthin zu lenken, aber es war nicht möglich, irgendwann die gesamte Umgebung auszuleuchten. Auf den Böden lagen dicke purpurrote Teppiche, die jedes Geräusch dämpften. Jeder konnte sich hier unbemerkt anschleichen. Schilder gab es nicht, die Türen waren unter den Behängen verborgen, und alle Korridore sahen gleich aus.
    In Venera erwachten unangenehme Erinnerungen an den Palast von Hale. Kurz bevor es ihr gelang, in ein Leben mit Chaison zu entkommen, hatte der Wahnsinn ihres Vaters immer weiter um sich gegriffen. Der Pilot ließ alle Gemälde und alle Spiegel im Palast abdecken. Er gewöhnte sich an, des Nachts mit einem Schwert in der Hand durch die Gänge zu wandern, weil er fest davon überzeugt war, dass hinter jeder Ecke ein Verschwörer lauern könnte. Diese nächtlichen Streifzüge kamen den echten Verschwörern sehr gelegen, denn
damit wussten sie, wo er war und konnten ihm leicht ausweichen. Diese Verschwörer - fast ausschließlich Mitglieder seiner eigenen Familie - würden ihn eines nicht mehr allzu fernen Tages zu Fall bringen. Venera hatte, als sie noch in Rush lebte, keine Briefe erhalten, die mit seinem Sturz prahlten; aber wenn oder falls sie jemals nach Slipstream zurückkehrte, mochte durchaus ein solches Schreiben auf sie warten.
    Hale litt unter dem Wahnsinn eines Mannes. Sacrus hatte diese Paranoia nicht nur generalisiert, sondern auch institutionalisiert. Das Grey-Hospital war ein Symbol des Argwohns, es verkörperte geradezu die Überzeugung, Misstrauen müsse gefördert werden. »Nicht an den Vorhängen ziehen, um nach Türen zu suchen«, warnte Venera die Männer, als sie um eine Ecke bogen und die Treppe ins Untergeschoss aus den Augen verloren. »Sie könnten an eine Alarmanlage angeschlossen sein.«
    »Was hätte das denn für einen Zweck?«, fragte Thinblood verächtlich.
    »Man will, dass nur die Leute die Türen finden, die ohnehin wissen, wo sie sind«, sagte sie. »Jemand, der auf der Flucht ist - oder Eindringlinge wie wir -, löst die Sirenen aus. Zum Glück gibt es eine andere Möglichkeit, sie ausfindig zu machen.« Sie zeigte auf den Teppich. »Suchen Sie nach abgetretenen Stellen. Sie werden häufiger begangen.«
    Sie befanden sich in einem Korridor, der im Kreis um einen größeren Innenbereich herumzuführen schien. Gegenüber der Treppe zum Untergeschoss führten breite Stufen zu einem Ausgang, daneben ging eine Treppe nach oben. Sie waren schon fast wieder an ihrem Ausgangspunkt
angelangt, als sie endlich einen Zugang nach innen fanden.

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