SÄURE
angerufen.«
»Ramp bricht auch alle Zelte ab. Er hat Noel gebeten, ihm einen Koffer zu packen. Vielleicht ist es für ihn ein Trauma, Gina verloren zu haben, und er hat nun das ganze Getue satt. Aber es wäre interessant zu sehen, ob er schließlich das Testament anficht oder irgendeine Versicherung einstreicht, von der keiner was gewußt hat, von den beiden fehlenden Millionen ganz zu schweigen! Wer wäre in einer besseren Position, die Gelder abzuschöpfen, als ihr Ehemann?«
»Melissas Verdacht bestätigt«, sagte er.
»Aus dem Munde des schwachen Geschlechts. Daß Ramp am Tag von Ginas Verschwinden im Haus war, wird von Zeugen bestätigt. Aber was ist mit Todd? Vielleicht hat er sie verführt, um näher an die zwei Millionen heranzukommen. Auf jeden Fall ist er jemand, den sie mitgenommen hätte, wenn sein Wagen in der Nähe ihres Hauses gestreikt hätte und sie ihn den Daumen herausstrecken sah. Und jetzt verlassen beide, er und Ramp, den Schauplatz des Verbrechens.«
»Ramp ist noch nicht weg. Ich bin an seinem Restaurant vorbeigefahren, bevor ich zum Sussex Knoll hoch bin. Sein Mercedes stand auf dem Parkplatz, ich habe einen Blick ins Lokal geworfen. Er war sternhagelvoll, total betrunken, Bethel gluckte über ihm wie eine Mutter-Henne. Ich bin wieder raus und habe auf der anderen Straßenseite geparkt, den Laden eine Zeitlang beobachtet. Von Nyquist keine Spur!«
»Erklär mir bitte eins, Milo. Wenn Ramp fliehen will, wieso sagt er es mir dann und telegraphiert es?«
»Nein«, sagte er, »das war kein Telegraphieren, das war Tarnung. Er verschafft sich auf diese Art und Weise ein plausibles Motiv abzuhauen: von Trauer überwältigt, der arme Hund, der alles verloren hat. Damit niemand auf den Gedanken kommt, daß Tahiti was mit Todd zu tun hat. Aber es wird ihn natürlich sowieso niemand verdächtigen. Offiziell ist ja kein Verbrechen begangen worden. Und als Ein-Mann-Laden kann ich nicht überall gleichzeitig sein, um ihn zu beschatten und Nyquist zu suchen und für Melissa die Nummer bei Anger und Douse zu drehen. Ich kann ihr nicht einfach sagen, daß Ramp wichtiger als Anger und Douse ist, ich habe ja keinerlei Beweise, und die beiden sind schon gegen sie aktiv. Und dann würde sie wohl auch noch mehr ausrasten, und das wäre im Augenblick nicht von Vorteil, was meinst du?«
»Nein.«
Er dachte eine Weile nach. »Ich werde telefonieren - mit jemandem, von dem ich weiß, daß er ‘ne richtige Zulassung als Privatdetektiv hat, aber nicht viel damit macht. Er ist nicht allzu brillant oder kreativ, aber er ist geduldig. Er kann den Großen Don im Auge behalten, während ich mich über die Finanzen hermache.«
»Was ist mit Nyquist?«
»Nyquist wird kaum etwas ohne Ramp unternehmen.«
Das Essen kam. Milo schnitzelte, kaute: »Die hier wissen wirklich, wie man ein Steak anbraten muß.«
Einige Minuten lang aßen wir, ohne zu reden.
»Ich bin dran«, sagte ich schließlich.
»Moment mal«, warf er ein. »Ich hab’ noch ein paar Kleinigkeiten, haben mit Ginas erstem Mann, Dickinson, zu tun. Erinnerst du dich an Angers Bemerkung über Anzüge von der Stange? Wie sich herausstellt, war Dickinson ein Zwerg, konnte deshalb keine tragen.«
»Ich weiß, ich habe ein Photo von ihm gefunden.«
Die Überraschung ließ seine Augen aufleuchten. »Wo?«
»Im Haus, auf dem Dachboden.«
»Freistilarchäologie? Gratuliere!« sagte er. »Ich habe überhaupt kein Photo von ihm auftreiben können. Wie hat er ausgesehen?«
Ich beschrieb Arthur Dickinson und Gina als seine Mumienbraut.
»Verrückt«, sagte er, »der erste Gatte ein uralter Gnom, der zweite zwar normal groß, aber Knabenliebhaber. Alles in allem würde ich sagen, die Dame war nicht am Körperlichen interessiert.«
»Agoraphobie«, erklärte ich. »Die klassische Freudsche Erklärung lautet: Symptom sexueller Verdrängung.«
»Und was sagst du?«
»Es stimmt nicht in allen Fällen, aber vielleicht in diesem. Das bestätigt meine Theorie, Gina hätte geheiratet, weil sie Freundschaft brauchte. Daß sie und Ramp einander schon kannten, half bei der Kontaktaufnahme, nachdem Melissa sie zusammengebracht hatte. Daß alte Freunde sich aus gegenseitigem Bedürfnis wieder zusammentun, kommt andauernd vor.«
»Ich habe noch mehr über Arthur Dickinson herausbekommen«, sagte er. »Scheint, als hätte er nicht nur mit seiner Stütze ein Vermögen verdient, sondern sich auch im Filmgeschäft versucht, als Finanzier, und ein paar Geschäfte hat er
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