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SÄURE

SÄURE

Titel: SÄURE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Pinsel - waren überall außer an den Wänden zu sehen. Die Mitte des Wohnzimmers beherrschte eine von Farben verkrustete Staffelei inmitten eines Bergs zerknüllten Papiers, zerbrochener Malstifte und Holzkohlestummel. In dem, was ursprünglich wohl das Eßzimmer gewesen war, standen ein Zeichentisch und ein verstellbarer Stuhl neben einem Kompressor mit angeschlossener Spritzpistole. Die Wände trugen keinen Schmuck, aber mir fiel ein weißes Blatt Papier auf, das über dem Kaminsims an die Wand genagelt war. In der Mitte stand in kalligraphischen Buchstaben:
     
    Der Tag der Heuschrecken Das Zwielicht der Würmer Die Nacht der lebenden Toten
    »Mein Roman«, erklärte Skidmore, »sowohl der Titel als auch die erste Zeile. Der Rest kommt, wenn mich mal wieder die Konzentration überfällt. War schon immer mein Problem, aber hey, das hat die letzten paar Präsidenten nicht aufgehalten, was?«
    Ich fragte: »Haben Sie Kathy Moriarty durch Ihr Schreiben kennengelernt?«
    »Arbeiten, arbeiten, arbeiten, Marlowe? Wieviel zahlt Ihnen denn Ihr Boß Sturgis, daß Sie so gewissenhaft sind?«
    »Kommt auf den Fall an.«
    »Sehr gut«, sagte er und lächelte. »Als Ablenkung -, wissen Sie was? Das ist wirklich toll, daß Sie hier einfach so hereinkommen. Darum wache ich ja so gern in L.A. auf. Man weiß nie, wann bei einem so ein südkalifornischer Archetyp an die Tür klopft.« Wieder ein abschätzender Blick. Ich kam mir allmählich wie ein Stilleben vor.
    »Meinen Sie, ich kann Sie für mein nächstes Stück benutzen?« fragte er und zeichnete eine imaginäre Linie in die Luft. »Der Privatdetektiv, die Dinge, die er sieht, - die Dinge, die ihn sehen.« Er hob mehrere mit abstrakten Klecksen bedeckte Leinwände von einer Gartenliege auf und warf sie achtlos auf den Boden. »Setzen Sie sich!«
    Ich tat es, und er ließ sich auf einem hölzernen Hocker direkt vor mir nieder. »Das ist ja toll«, sagte er. »Vielen Dank, daß Sie vorbeigekommen sind.«
    »Wohnt Kathy Moriarty hier?«
    »Sie wohnt hinten, in der Garage.«
    »Wem gehört denn das Haus?«
    »Mir«, sagte er stolz, »von meinem Großvater geerbt. Schwuler alter Herr, ergo die günstige Lage bei den hübschen Filmknaben. Ist aber erst zwanzig Jahre, nachdem Großmutter gestorben war, groß herausgekommen, und ich war der einzige in der Familie, der nicht den Kontakt mit ihm abgebrochen hat. Als er also starb, habe ich alles bekommen, das Haus, das Bloatmobile und hundert IBM-Aktien. Kein schlechter Deal, was?«
    »Mrs. Robbins sagt, sie hat Kathy über einen Monat nicht gesehen. Wann haben Sie sie denn zum letztenmal gesehen?«
    »Komisch«, sagte er.
    »Was ist komisch?«
    »Daß ihre Schwester jemanden beauftragt, nach ihr zu suchen. Die haben sich nicht verstanden, jedenfalls meinte Kathy das.«
    »Warum denn nicht?«
    »Zu verschieden bestimmt. Kathy sagte, ihre Schwester wäre eine echte weiße Dame. Die, die ›urinieren‹ und Stuhlgang haben‹ sagen.«
    »Im Gegensatz zu Kathy.«
    »Genau.«
    Ich fragte ihn wieder, wann er sie zum letztenmal gesehen hätte.
    Er sagte: »Genau wie die weiße Dame, vor etwa einem Monat.«
    »Wann hat sie das letztemal ihre Miete bezahlt?«
    »Die Miete ist hundert im Monat, das ist ein Witz, stimmt’s? Ich könnte nicht die ganze Hausbesitzerarie abziehen.«
    »Wann hat Kathy die Hundert das letztemal bezahlt?«
    »Am Anfang.«
    »Am Anfang von was?«
    »Unserer Beziehung -, sie war froh, etwas so Billiges zu finden. Und da sind alle Nebenkosten drin, weil es nur jeweils einen Zähler gibt und es zuviel Umstände machen würde, alles zu trennen. Sie hat gleich am Anfang für zehn Monate im voraus bezahlt. Also hat sie bis Dezember bezahlt.«
    »Zehn Monate, dann wohnt sie seit Februar hier?«
    »Schätze ja, - yeah. Es war kurz nach Neujahr. Ich hatte die Garagenapartments für ‘ne Party benutzt, Künstler und Schriftsteller und wahnsinnige Schwindler. Als ich aufräumte, beschloß ich, eins zu vermieten und das andere als Lagerraum zu benutzen, damit ich nicht in die Versuchung käme, im nächsten Jahr wieder eine Party zu schmeißen und mir wieder all die schlechten Dialoge anzuhören.«
    »War Kathy zu der Party eingeladen?«
    »Wieso sollte sie?«
    »Weil sie eine Schriftstellerin ist.«
    »Nein, ich habe sie erst nach der Party kennengelernt.«
    »Wie denn?«
    »Durch eine Anzeige im ›Reader‹. Sie war die erste, die aufkreuzte, und sie gefiel mir. Gerade heraus, kein Blabla, eine richtige, derbe

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