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SÄURE

SÄURE

Titel: SÄURE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Sapphistin.«
    »Sapphistin?«
    »Wie auf Lesbos.«
    »Sie ist lesbisch?«
    »Sicher.« Großes Lächeln. »Ts, ts, sieht aus, als ob Ihnen die weiße Dame keinen reinen Wein eingeschenkt hat.«
    »Schätze nein.«
    Er sagte: »Wie gesagt, Kulturkollision. Seien Sie nicht schockiert, Marlowe, das ist hier West-Hollywood! Hier sind alle entweder schwul oder alt oder beides. Oder so wie ich. Ich bin auf dem Keuschheitstrip, bis etwas Monogames und Heterosexuelles und Sinnvolles langkommt.« Er zupfte an seinem Pferdeschwanz: »Lassen Sie sich hierdurch nicht täuschen, ich stehe in Wirklichkeit rechts. Vor zwei Jahren besaß ich sechsundzwanzig Button-down-Hemden und vier Paar Mokassins. Das« - wieder ein Zupfen - »trage ich, um bei den Nachbarn nicht anzuecken. Ich mache sowieso schon die Grundstückspreise kaputt, weil ich sie nicht mit dem Bulldozer alles plattmachen lasse, damit sie hier noch so ein wunderhübsches, supersicheres Superluxus-Altersheim errichten.«
    »Hat Kathy eine Freundin?«
    »Nicht, daß ich sie gesehen hätte, und ich würde sagen, nein.«
    »Warum nicht?«
    »Ihre Persona projiziert sich als ganz und gar ungeliebt. Als ob sie sich gerade von etwas Schmerzhaftem gelöst hat und nicht bereit ist, wieder mit Rasiermessern zu jonglieren. Nicht, daß sie irgend so etwas gesagt hat, wir reden nicht viel miteinander, treffen einander nicht oft. Ich schlafe gern, soviel ich kann, und sie ist meistens weg.«
    »So lange weg?«
    Er dachte nach. »So lange war sie bisher noch nie weg, aber sie ist gewöhnlich unterwegs; ich meine, bei ihr ist es nicht ungewöhnlich, daß sie eine Woche lang weg ist. Und dann wieder eine Woche. Also können Sie ihrer Schwester sagen, sie ist wahrscheinlich okay, tut wahrscheinlich gerade etwas, von dem die weiße Dame gar nichts wissen will.«
    »Woher wissen Sie, daß sie lesbisch ist?«
    »Ah, der Beweis. Na ja, erstmal das Zeugs, das sie liest: Lesbenmagazine. Sie kauft sie regelmäßig, ich finde sie draußen im Müll. Und die Post, die sie kriegt.«
    »Was für Post?«
    Sein Lächeln war breit, weißer Nadelstreifen auf wolligen Stacheln. »Nicht, daß ich anfange, das zu lesen, Marlowe, das wäre illegal, stimmt’s? Aber manchmal landet die Post für hinten in meinem Kasten, weil die Briefträger nicht kapieren, daß da hinten noch jemand wohnt, oder vielleicht sind sie einfach zu faul, bis nach hinten zu laufen. Eine Menge ist von Lesbengruppen. Was sagen Sie nun zu meiner Kombinationsgabe?«
    »In einem Monat muß sich ganz schön was angesammelt haben«, sagte ich.
    Er stand auf, ging in die Küche und kam einen Augenblick darauf mit einem Bündel Umschlägen zurück, das von einem Gummiband zusammengehalten wurde. Er rollte das Gummiband herunter, prüfte jeden einzelnen Umschlag und hielt das Ganze dann eine Weile fest, bevor er mir die ganze Sammlung überreichte.
    Ich breitete sie fächerförmig aus und zählte. Es waren elf Umschläge. »Nicht viel für einen Monat«, sagte ich. »Wie gesagt, ungeliebt.«
    Ich sah mir die Post an: acht computeradressierte Werbesendungen, die verbleibenden drei Briefe waren namentlich an Kathy Moriarty adressierte. Einer schien von einer AIDS-Hilfsgruppe zu stammen und eine Spendenaufforderung zu enthalten, desgleichen ein zweiter von einer Klinik in San Francisco. Der dritte Umschlag war weiß, schien etwas Geschäftliches zu betreffen und war drei Wochen zuvor in Cambridge, Massachusetts, aufgegeben. Mit der Schreibmaschine getippte Adresse: Ms. Kathleen R. Moriarty. Aufgedruckter Absender in der linken oberen Ecke: The Gay and Lesbian Alliance Against Discrimination, Massachusetts Avenue, Cambridge.
    Ich holte einen Stift heraus, merkte, daß ich kein Papier mitgebracht hatte, und kopierte die Adresse auf der Rückseite einer Benzinquittung, die ich in meiner Brieftasche fand.
    Skidmore sah mir belustigt zu.
    Ich drehte den Umschlag ein paarmal herum, mehr um ihn damit zu unterhalten als aus irgendwelchen anderen Gründen, und gab ihn schließlich zurück.
    Er fragte: »Was haben Sie festgestellt?«
    »Nicht viel. Was können Sie mir sonst noch von ihr erzählen?«
    »Braunes Haar, Männerhaarschnitt, grüne Augen, eine Art Kartoffelgesicht. Ihre Kleidung wirkt sackartig-praktisch.«
    »Hat sie einen Job?«
    »Nicht, daß ich wüßte, aber sie könnte einen haben.«
    »Hat sie nie einen Job erwähnt?«
    »N-n«, er gähnte und rieb sich das eine Knie, dann das andere.
    »Außer daß sie eine Schriftstellerin ist«,

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