SÄURE
Professur in der Fachrichtung Gruppenprozeß offeriert hatte. Seths Spezialität waren Bewußtseinskontrolle und Kulte. Der Vater einer Siebzehnjährigen, der laut Forbes zu den 400 reichsten Männern der Welt zählt, hatte Seth bei der Entprogrammierung seiner Tochter hinzugezogen, nachdem man sie aus einer neohinduistischen apokalyptischen Sekte gerettet hatte, die in unterirdischen Bunkern in New Mexico hauste.
Ich mußte noch einmal die Auskunft in Boston anrufen. Ich bekam dort die Nummer des Fachbereichs Psychologie der Boston University, wählte sie und erfuhr vom Telefonfräulein, daß das Büro des Professors Fiacre sich im Zentrum für angewandte Gesellschaftswissenschaften befand. Dort notierte ein Telefonfräulein meinen Namen und bat mich, einen Augenblick zu warten. Wenig später war Seths Stimme zu hören.
»Alex, wie lange ist’s her.«
»Hallo, Seth. Wie geht’s in Boston?«
»Boston ist wundervoll, eine richtige Stadt. War seit dem Examen nie mehr für längere Zeit hier gewesen, - es ist so eine nette Art von Heimkehr. Wie geht es dir? Gibst du den Unterricht, von dem du gesprochen hattest?«
»Noch nicht.«
»Die Rückkehr ins akademische Leben fällt einem schwer«, sagte er. »Sobald man erst einmal in der richtigen Welt draußen gewesen ist.«
»Was auch immer das heißt.«
Er lachte. »Ich habe vergessen, daß ich mit einem Kliniker spreche. Was hast du so gemacht?«
»Beratung, versuche eine Monographie herauszubringen.«
»Klingt bewundernswert gut abgerundet. Also, was kann ich für dich tun? Noch so einen Haufen von Anhängern des wahren Glaubens auschecken? Wäre mir ein Vergnügen. Das letztemal, als ich dir Daten gegeben habe, sind dabei zwei Abrisse und ein Aufsatz im JPSP für mich abgefallen.«
»Handauflegen«, erinnerte ich mich.
»Die haben die Hand auf eine Menge Leute gelegt, die Dummen sterben nicht aus. Also, um welche Idioten geht es diesmal?«
»Nicht um irgendeinen Kult«, sagte ich. »Was ich suche, sind Informationen über einen Kollegen, ehemaliges Fachbereichsmitglied deiner Alma Mater.«
»Ausgerechnet, wen?«
»Leo Gabney und Frau.«
»Dr. Vielseitig? Yeah, ich glaube, ich habe gehört, daß er jetzt da draußen in L.A. lebt.«
»Weißt du irgend etwas über ihn?«
»Nicht persönlich, aber er ist ja nicht gerade unbekannt. Ich weiß noch, daß ich mich für meinen Kurs in ›fortgeschrittener Lemtheorie‹ in alles vertiefen mußte, was er geschrieben hatte. Der Mann war wie eine Fabrik. Ich habe ihn verflucht, weil er so viele Daten herausgebracht hat, aber die meisten waren ziemlich solide. Er muß jetzt - wie alt sein?
Fünfundsechzig? Siebzig? Bißchen alt zum Unheilanrichten. Warum interessierst du dich denn für ihn?«
»Er ist noch nicht so alt - sechzig oder so, und weit entfernt von der Leimfabrik. Er hat mit seiner Frau zusammen eine Klinik in San Labrador und spezialisiert sich auf die Therapie von Phobien - für reiche Leute.« Ich nannte ihm Gabneys Gebührensätze.
»Wie deprimierend«, sagte er. »Hier sitze ich und dachte, ich bekäme ein gutes Gehalt, und da kommst du und sorgst dafür, daß ich mich wieder mies fühle.« Er wiederholte Gabneys Gebühren laut, dann sagte er: »Nun ja - Was möchtest du über die beiden hören und weshalb?«
»Sie haben die Mutter einer meiner Patientinnen behandelt, und es sind ein paar sonderbare Dinge geschehen, ich kann das nicht im einzelnen ausführen, Seth. Tut mir leid, aber du verstehst.«
»Natürlich, du interessierst dich für die Geschichte seiner Libido und dergleichen Fragen, aus seiner Zeit in Harvard.«
»Dafür«, sagte ich, »und für etwaige finanzielle Transaktionen.«
»Ah, die Geschichte, jetzt machst du mich neugierig.«
»Wenn du herausbekommen könntest, warum die beiden aus Boston weggegangen sind und was für beruflichen Tätigkeiten sie im Jahr davor oder so nachgegangen sind, wäre ich dir wirklich dankbar.«
»Ich werde tun, was ich kann, obwohl die Leute es hier nicht mögen, übers Geld zu reden, eben weil sie gerade so dahinter her sind. Darüber hinaus unterhalten sich die Herrschaften in dem hochfeinen Institut da oben auch ungern mit gewöhnlichen Leuten wie uns.«
»Nicht mal, wenn sie von ihrer eigenen hehren Institution kommen?«
»Nicht mal dann, wenn sie nämlich zu weit südlich von Cambridge umhergeschweift sind. Aber ich werde mal in der Suppe herumrühren und sehen, was nach oben kommt. Wie heißt seine Frau?«
»Ursula Cunningham, mit
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