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SÄURE

SÄURE

Titel: SÄURE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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heißen sie?« fragte sie mit einem schelmischen Lächeln.
    Wir lachten beide. Ich sagte: »Was für mich am wichtigsten ist, Melissa, wie gut du dich herausgemacht hast und wie du deine Ängste in den Griff gekriegt hast. Ich bin wirklich davon beeindruckt.«
    »Ich hab’ wirklich das Gefühl, daß ich sie vollkommen im Griff habe«, sagte sie und wischte sich die Augen trocken. »Da bin ich ganz sicher.«
    »Ich schaffe es«, sagte sie und sah hinüber zu dem großen Korb. »Haben Sie schon einmal Kastanienpaste gegessen? Sie schmeckt irgendwie irre - überhaupt nicht wie geröstete Kastanien…«
    In der Woche darauf rief ich sie an. Dutchy war am Apparat. Ich fragte, wie es ihr gehe.
    Er sagte: »Ganz ausgezeichnet, Doktor. Warten Sie, ich hole sie her.«
    Ich war mir seiner nicht sicher, aber ich fand, seine Stimme klang freundlich.
    Melissa kam an den Apparat, ihre Stimme war höflich aber distanziert. Sie ließ mich wissen, daß sie okay wäre und mich anrufen würde, wenn sie zu mir in die Praxis kommen müßte. Sie kam aber nicht wieder.
    Ich rief noch einige Male an. Sie klang zerstreut und war froh, als ich mich wieder von ihr verabschiedete.
    Ein paar Wochen später ging ich meine Namensliste durch, kam zu ›Dickinson‹ und stellte fest, daß ich zehn Stunden im voraus bezahlt bekommen hatte, die ich nicht mehr abgeleistet hatte. Ich schrieb einen Scheck und schickte ihn nach San Labrador. Am nächsten Tag brachte ein Bote einen braunen Umschlag in mein Büro. Darin lag mein Scheck, ordentlich in drei Teile zerrissen, dabei befand sich ein duftender Briefbogen:
    Lieber Dr. Delaware In großer Dankbarkeit Ihre Gina Dickinson Dieselbe zierliche Handschrift, mit der sie mir zwei Jahre zuvor versprochen hatte, sich bei mir zu melden. Ich stellte wiederum einen Scheck über genau die gleiche Summe aus, diesmal für den Spielzeugfonds des Kinderkrankenhauses Western Pediatrics und warf ihn in der Halle in den Briefkasten. Ich wußte, daß ich es ebensosehr für mich selbst wie für die Kinder tat, die das Spielzeug bekommen würden, und sprach mir das Recht ab, edel vorzukommen. Dann fuhr ich wieder mit dem Fahrstuhl zu meiner Praxis hoch und bereitete mich auf meinen nächsten Patienten vor.

6
    Es war ein Uhr früh, als ich die Patientenkartei wegräumte. Über Vergangenes nachzudenken war eine anstrengende Sache, und die Müdigkeit hatte mich gepackt. Ich schleppte mich zum Bett und schlief wie ein Toter ein. Um sieben wachte ich wieder auf, beeindruckt von meinem Elan, und wanderte unter die Dusche. Ein paar Minuten, nachdem ich mich angezogen hatte, klingelte es. Ich ging zur Tür und öffnete.
    Milo stand draußen auf der Terrasse, die Hände in den Taschen. Er trug ein gelb-grün gestreiftes Golfhemd, braune Khakihosen und high-top Basketballschuhe, die einmal weiß gewesen waren. Sein schwarzes Haar war länger, als ich es je gesehen hatte, die Schmalzlocke hing ihm über die Augenbrauen, und die Koteletten reichten fast bis zum Kinn hinunter. Ein drei Tage alter Stoppelbart bedeckte sein pockennarbiges, plumpes Gesicht, und seine grünen Augen waren wie verschleiert. Er sagte: »Die gute Nachricht ist, daß du sie jetzt wenigstens abschließt. Die schlechte ist, daß du öffnest, ohne erstmal zu checken, wer draußen steht.«
    »Wieso denkst du denn, ich hätte nicht gecheckt?« fragte ich, ging beiseite und ließ ihn ein.
    Keine Pause zwischen dem letzten Schritt und dem Aufschließen - detektivische Kräfte.« Er tippte sich an die Schläfe und steuerte geradewegs in die Küche.
    »Guten Morgen, Detektiv. Das Nichtstun steht dir gut.«
    Er grunzte und ging weiter. Ich fragte: »Was gibt’s Neues?«
    »Was sollte es Neues geben?« fragte er zurück, den Kopf schon im Kühlschrank.
    Es war wieder so ein unmotiviertes Hereinschneien. Seine Besuche wurden immer häufiger. Er steckte in der Krise, denn er hatte erst die Hälfte seiner Strafe herum - sechs Monate Beurlaubung vom Dienst ohne Gehalt. Das Schlimmste, was das Los Angeles Police Department ihm aufbrummen konnte.
    Er stöberte eine Weile herum, fand dann etwas Roggenbrot, Lachsaufstrich und Milch, ein Messer und einen Teller und fing an, sich ein Frühstück zuzubereiten. »Was guckst du denn so?« fragte er. »Hast du noch nie jemanden das Frühstück zubereiten sehen?«
    Ich ging mich anziehen. Als ich zurückkam, stand er an der Küchentheke, aß Toast mit Aufstrich und trank Milch aus der Tüte. Er hatte einige Pfunde zugelegt, und sein

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