SÄURE
machte sich an einer weiteren Brotkruste zu schaffen.
Ich fragte: »War das alles?«
»Ich habe sie eine Weile labern lassen, dann bin ich aufgestanden und habe gesagt, ich hätte eine dringende Verabredung, und bin gegangen.«
»Nun«, sagte ich, »wenn du dich je entschließen solltest, den Dienst zu quittieren, bleibt immer noch das Diplomatische Corps.«
»Hey«, sagte er, »mir steht’s bis hier.« Er strich sich mit dem Finger über die Gurgel. »Schmeißen mich für sechs Monate raus, okay, nehmen mir meine Kanone, meine Marke und mein Gehalt weg, okay. Aber wenn sie mich jetzt wenigstens in Ruhe lassen und auf dieses beschissene Gerede verzichten würden und auf dieses widerliche Getue!« Er nahm wieder etwas zu sich. »Natürlich ist mir klar, ich kann nichts Besseres erwarten, wenn man die Umstände bedenkt.« Er lächelte.
»Eins plus für deinen Wirklichkeitssinn, Milo.«
Er sagte: »Angriff auf einen Vorgesetzten!«, breites Lächeln, »klingt irgendwie nett, findest du nicht?«
»Du hast das Wichtigste vergessen: im Fernsehen!«
Er grinste und nahm nochmals einen großen Schluck Milch. »Zum Teufel, wir leben im Medienzeitalter, richtig? Der Chef macht einen auf Freundlich, wenn er ›die Presse und wir‹ spielt. Ich hab’ denen eine Kostprobe gegeben, die sie nicht so schnell vergessen werden.«
»Das hast du geschafft. Wie geht es Frisk?«
»Es heißt, seine hübsche kleine Nase ist schnell wieder geheilt. Die neuen Zähne sehen fast so gut wie die alten aus - erstaunlich, was man heute mit Plastik alles machen kann, hm? Aber er wird ein bißchen anders aussehen, weniger wie Tom Seileck, eher wie Karl Maiden. Was nicht schlecht für einen Vorgesetzten ist, stimmt’s?«
»Ist er wieder im Dienst?«
»Nein, scheint, daß Kennypuhs Streßlevel immer noch ziemlich hoch ist, er braucht seine Zeit, bis er sich erholt. Aber er wird irgendwann wieder da sein, wo er dann auf einer höheren Ebene Scheiße bauen kann, systematischer.«
»Er ist der Schwiegersohn des stellvertretenden Chefs, Milo. Du hast Glück, daß sie dich nicht endgültig gefeuert haben.«
Er stellte die Tüte hin und starrte mich wütend an. »Meinst du nicht, daß sie mir einen Tritt gegeben hätten, wenn es möglich gewesen wäre? Ich bin in der stärkeren Position, und das wissen sie, darum flitzen sie herum wie die Wiesel.« Er hieb mit seiner Pranke auf den Tisch. »Der Scheißkerl hat mich als seinen verdammten Köder benutzt. Der Anwalt, den Rick mir empfohlen hat, sagte, ich hätte Gründe für einen ganz großen Zivilprozeß - eine große Sache für die Presse! Obwohl Rick wollte, daß ich es tue - aus Prinzip habe ich mich geweigert, weil es eine Sache zwischen zwei Leuten war: Mann gegen Mann. Daß ich es vor laufenden Fernsehkameras getan habe, war eine Extravorsichtsmaßnahme vor ein paar Millionen Zeugen. Man sollte mir dankbar sein, daß ich ihm nur das Gesicht versaut habe.« Seine Augen glänzten und seine Haut glühte. Wie ihm das Haar so in die Stirn hing und sich seine dicken Lippen verzogen, erinnerte er mich an einen verärgerten Gorilla.
Ich applaudierte.
Er straffte sich, starrte mich an und fing dann an zu lachen. »Ah, es gibt doch nichts Besseres als Adrenalin, wenn der Tag rosig werden soll. Bist du sicher, daß du nicht Golf spielen willst?«
»Tut mir leid. Ich muß wirklich diese Arbeit schreiben, und um zwölf kommt ein Patient. Und ehrlich gesagt, Bälle auf dem Rasen herumzuschlagen entspricht nicht meiner Vorstellung von Erholung, Milo.«
»Ich weiß, ich weiß«, sagte er, »kein aerobischer Nutzeffekt. Ich wette, deine Triglyzeride sind einfach super!«
Ich zuckte die Achseln. Der Kaffee war fertig, ich goß zwei Tassen voll und gab ihm eine.
»Also«, fragte ich, »was hast du sonst noch getan, um dir die Zeit zu vertreiben?«
Er machte ein großartige Geste und sprach mit hartem, irischem Akzent: »Oh, es ist einfach wunderbar gewesen, mein Junge: Petitpoint-Stickerei, Pappmache, Ausschneidearbeiten, Häkeln und anderen Kram. Es gibt da draußen so eine herrliche Welt des Kunsthandwerks, die bloß darauf wartet, erforscht zu werden.« Er trank einen Schluck Kaffee. »Es war zum Kotzen, schlimmer als Schreibtischjobs. Zuerst dachte ich, ich mache Gartenarbeit - ein bißchen Sonne, ein bißchen körperliche Bewegung, zurück zur Natur!«
»Hast du vor, Kartoffeln anzubauen?«
Er kicherte. »Hab’ vor, irgendwas anzubauen, bloß um meine Ruhe zu haben. Das Problem ist nur, Rick
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