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SÄURE

SÄURE

Titel: SÄURE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Bauch sah aus wie eine Melone unter dem Nylonhemd.
    »Hast viel vor heute?« fragte er. »Ich dachte, wir könnten zum Rancho runterfahren und ein paar Golfbälle feuern.«
    »Wußte nicht, daß du Golf spielst.«
    »Tue ich auch nicht, aber man braucht ein Hobby, richtig?«
    »Tut mir leid, ich muß heute arbeiten.«
    »Oh ja? Soll ich gehen?«
    »Nein, keine Patienten. Ich schreibe gerade an etwas.«
    »Ah«, sagte er mit wegwerfender Handbewegung, »ich dachte, richtige Arbeit.«
    »Es ist richtige Arbeit für mich.«
    »Was, der alte Mist?« Ich nickte.
    Er fragte: »Soll ich es machen?«
    »Was machen?«
    »Dir deine Arbeit schreiben?«
    »Aber ja!«
    »Nein, im Ernst. Das Schreiben ist mir immer leichtgefallen. darum hab’ ich’s ja auch bis zum Magister gebracht - der ganze akademische Scheiß, den sie mir aufgebrummt haben, hat mir nichts ausgemacht. Meine Prosa war nicht besonders elegant, aber sie war… solide, obgleich etwas schwunglos, um es mit den Worten meines früheren Lehrers auszudrücken.« Er kaute den vertrockneten Toast. Krümel rieselten ihm über die Brust. Er bemühte sich nicht, sie wegzuwischen.
    Ich sagte: »Danke, Milo, aber ich bin noch nicht soweit, einen Ghostwriter zu engagieren.« Ich ging Kaffee aufbrühen.
    »Was ist los?« fragte er mit vollem Mund. »Du traust mir nicht?«
    »Es ist eine wissenschaftliche Arbeit, die Hale-Schießerei für ein psychologisches Journal.«
    »So?«
    »Also trockenes Zeug, vielleicht an die hundert Seiten trockenes Zeug.«
    »Na und«, sagte er, »nicht schlimmer als der durchschnittliche Mordbericht.« Er benutzte ein Stück Brotrinde, um an den Fingern abzuzählen: »Römisch eins: Synopsis des Verbrechens, Römisch zwei: Chronologischer Ablauf, Römisch drei: Informationen über das Opfer, Römisch -«
    »Ich glaub’s dir ja.«
    Er schob sich die Brotrinde in den Mund. »Das Geheimnis, ausgezeichnete Berichte zu schreiben«, sagte er und fing an zu kauen, »besteht darin, daß man jedes bißchen Leidenschaft wegläßt. Man verwende eine extragroße Portion überflüssiger, doppeltgemoppelter Schwafelei, um es so langweilig zu machen, daß der Leser richtig betäubt ist. So daß dein Vorgesetzter beim Lesen abschaltet und anfängt, Passagen zu überspringen, ohne zu merken, daß man seit dem Auftauchen der Leiche nur im Kreis herumgetappt ist. Nun sag mir, machst du es so viel anders?«
    Ich lachte. »Bis jetzt habe ich mir immer eingeredet, ich wäre hinter der Wahrheit her. Vielen Dank, daß du mich aufklärst.«
    »Kein Problem, das ist mein Job.«
    »Apropos Job, wie war’s in der Zentrale?«
    Er warf mir einen sehr langen, düsteren Blick zu. »Unverändert, alles Schreibtischhengste mit grinsenden Gesichtern - diesmal haben sie den Seelenklempner vom Department mitgebracht.«
    »Ich dachte, du lehnst psychologische Beratung ab.«
    »Sie haben es Streßbewältigung genannt, es ist Teil der Strafe, lies das Kleingedruckte!« Er schüttelte den Kopf. »All diese fetten Fresser reden so schön sanft und langsam daher, als ob ich senil wäre, fragen mich, wie ich zurechtkäme, wie mein Streßlevel sei, ›sorgen‹ sich um mich, um meinen Cholesterinspiegel, um die Triglyzeride, und was auch immer. Ob ich es mir wirklich zutraute, in den aktiven Dienst zurückzukehren?« Er knurrte. »Was für ein Haufen von netten, großzügigen, hilfsbereiten Leuten, he? Ich hab’ zurückgegrinst und gesagt, es wäre ja eigenartig, daß sie sich nie um meinen Streßlevel oder meine Triglyzeride gekümmert hätten, als ich da draußen war und den Job gemacht habe.«
    »Wie haben sie auf diese charmante Bemerkung reagiert?«
    »Sie haben wieder gegrinst und sind dann in dieses schmierige, schmalzige Schweigen versunken, in dem du Kartoffeln braten könntest.« Er betrachtete die Milchtüte und sagte: »Ah, Magerstufe, das ist gut. Da sind keine Triglyzeride drin.«
    Ich füllte die Kaffeemaschine mit Wasser und löffelte Pulver hinein.
    »Eins muß man den Scheißkerlen lassen«, sagte er, »sie werden immer direkter. Diesmal fingen sie gleich mit Pensionierung, Dollars und Cents an. Und versicherungsstatistische Tabellen, wieviel mehr es würde, wenn man die Zinsen dazurechnete, die ich verdienen könnte, wenn ich schlau investierte. Als ich nicht anbiß, gingen sie zu einem härteren Ton über und drohten, die Pension sei nach Lage der Dinge allerdings keineswegs selbstverständlich. Blablabla. Wie sehr es auf das richtige Timing ankäme. Blablabla.« Er

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