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SÄURE

SÄURE

Titel: SÄURE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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schlechter. Den einen Tag sieht er gesund aus, am nächsten kann er nicht vom Bett aufstehen. Der Chirurg sagt, er muß sich unbedingt operieren lassen, aber er ist im Augenblick zu schwach, als daß er das durchstehen könnte - zu hoher Blutdruck, und sie wissen immer noch nicht, wie viele Arterien davon betroffen sind. Sie versuchen ihn zu stabilisieren, indem sie ihn stillegen, und verschreiben Medizin, damit er kräftig genug für weitere Tests wird. Was kann man schon tun? So ist das nun mal. Also, wie geht es dir? Hab’ ich dich schon gefragt, wie?«
    »Ich bin beschäftigt.«
    »Das ist gut, Alex.«
    »Die Koi-Fische haben gelaicht.«
    »Wie bitte?«
    »Die Koi-Fische im Teich legen Eier. Das erstemal, daß sie das tun.«
    »Wie schön«, sagte sie, »also wirst du jetzt Vater.«
    »Genau.«
    »Bist du bereit, die Verantwortung zu übernehmen?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte ich, »es handelt sich um Mehrlingsgeburten, wenn überhaupt.«
    Sie sagte: »Na, sieh’s mal von diesem Gesichtspunkt, wenigstens brauchst du sie nicht zu wickeln.«
    Wir lachten beide, sagten dann gleichzeitig: »Also…« und lachten wieder. Aber es war ein aufgesetztes Lachen, wie in einem schlechten Theaterstück.
    Sie fragte: »Bist du mal wieder in der Fakultät gewesen?«
    »Letzte Woche. Alles scheint gut zu laufen.«
    »Wirklich nicht schlecht nach dem, was ich höre. Ich habe vor einigen Tagen mit Ben gesprochen. Er hat sich zu einem prima Direktor entwickelt.«
    »Er ist ein netter Kerl«, sagte ich, »und ein guter Manager. Du hast einen guten Mann empfohlen.«
    »Ja, stimmt, er ist ein guter Manager.« Sie zwang sich wieder zu einem Kichern. »Bin gespannt, ob ich noch einen Job haben werde, wenn ich zurückkomme.«
    »Bestimmt. Hast du irgendwelche Pläne, wann du wiederkommst?«
    »Nein«, sagte sie scharf, »wie in aller Welt könnte ich das?«
    Ich schwieg.
    Sie sagte: »Das sollte nicht eingeschnappt klingen, Alex. Es ist einfach die Hölle gewesen - zu warten. Manchmal glaube ich, warten ist das Schlimmste auf der Welt. Sogar noch schlimmer als… Jedenfalls, kein Grund, darauf herumzureiten. Gehört alles dazu, daß man erwachsen und ein großes Mädchen wird und der Realität ins Gesicht sehen muß, nicht wahr?«
    »Ich würde sagen, du hast in letzter Zeit mehr als genug Realität abgekriegt.«
    »Tja«, sagte sie, »gut zur Abhärtung, gegen die Gefühlsduselei.«
    »Ich mag deine Gefühlsduselei eigentlich ganz gern.«
    Pause. »Alex, vielen Dank für den Besuch letzten Monat. Die drei Tage, die du hier warst, sind für mich die schönsten seit langem gewesen.«
    »Möchtest du, daß ich wiederkomme?«
    »Eigentlich schon, aber du würdest nichts mit mir anfangen können.«
    »Ich brauche nichts mit dir anzufangen.«
    »Das ist nett von dir, daß du das sagst, aber es geht einfach nicht. Ich muß bei ihm sein und mich um ihn kümmern.«
    »Ich habe den Eindruck, Dolores hat sich nicht gerade zur Krankenschwester entwickelt.«
    »Das stimmt. Sie ist selbst völlig hilflos - schon ein abgebrochener Nagel ist für sie eine Tragödie. Bis jetzt ist sie eine dieser glücklichen Idiotinnen gewesen, die sich noch nie mit so etwas auseinanderzusetzen brauchte. Aber je kränker er wird, um so hilfloser wird sie. Und wenn sie hilflos ist, redet sie. Herrgott, wie sie redet. Ich weiß nicht, wie Daddy das aushält. Gott sei Dank bin ich hier, um ihn vor ihr zu schützen. Sie ist wie ein Wortgewitter.«
    Ich sagte: »Ich weiß, ich habe auch etwas abgekriegt.«
    »Du Ärmster.«
    »Ich wird’s überleben.«
    Schweigen. Ich versuchte, mir ihr Gesicht vorzustellen - ihr blondes Haar auf meiner Brust, das Gefühl unserer Körper… Die Vorstellung wollte mir nicht gelingen.
    »Wie auch immer«, sagte sie, und es klang sehr müde.
    »Gibt es irgend etwas, das ich aus der Ferne für dich tun kann?«
    »Danke, aber mir fällt nichts ein, Alex. Nur, daß du mich in guter Erinnerung behalten und auf dich aufpassen sollst.«
    »Du auf dich auch, Linda.«
    »Ich komme schon klar.«
    »Dessen bin ich sicher.«
    Sie sagte: »Ich glaube, ich höre ihn husten, ja, tatsächlich, ich muß los!«
    »Bye.«
    »Bye.«
    Ich zog mich um - Shorts, ein T-Shirt, leichte Turnschuhe - und versuchte den Anruf und die zwölf Stunden davor in einem Dauerlauf abzuschütteln. Ich kam gerade bei Sonnenuntergang wieder heim, duschte, zog meinen alten Bademantel und Gummischlappen an. Als es dunkel wurde, ging ich wieder in den Garten hinaus und ließ das

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