SÄURE
McCloskeys Alibi ist bombensicher, er hat die Obdachlosen in der Mission, wo er wohnt, abgefüttert. Hat Kartoffeln geschält und Geschirr gespült und Suppe ausgeteilt, den ganzen Nachmittag. Dutzende von Leuten haben ihn gesehen, unter ihnen der Priester, der das Ding leitet. Er ist von zwölf Uhr mittags bis acht Uhr abends nicht weg gewesen. Also gibt es keine Möglichkeit, daß die Polizei ihn hätte festhalten können.«
»Auch nicht als unentbehrlichen Zeugen?«
»Kein Verbrechen, kein Zeuge, Mr. Ramp. Was die Bullen betrifft, ist es nur eine Situation, in der eine Dame länger ausbleibt.«
»Aber sehen Sie sich doch mal an, von wem wir hier reden - was er getan hat!«
»Stimmt, aber er hat seine Strafe abgesessen, seine Bewährungszeit ist auch abgelaufen. Was die Justiz angeht, ist er wie jeder andere Bürger zu behandeln. Die Polizei kann ihm nichts anhaben.«
»Können Sie etwas tun?«
»Ich kann noch weniger tun.«
»Ich habe nicht von juristischen Feinheiten gesprochen, Mr. Sturgis.«
Milo lächelte, holte tief Luft. »Tut mir leid, hab’ meinen Gummischlauch Goodwill gespendet.«
»Ich meine es ernst, Mr. Sturgis.«
Das Lächeln erstarb. »Ich auch, Mr. Ramp. Wenn das die Art von Hilfe ist, die Sie suchen, haben Sie die falsche Nummer gewählt.«
Er steckte seinen Stift weg.
Ramp lenkte ein: »Schauen Sie, ich habe es nicht so gemeint…«
Milo streckte die Hand aus. »Ich weiß, es ist die Hölle. Ich weiß, daß das System stinkt. Aber McCloskey jetzt zu jagen, ist nicht im Interesse Ihrer Frau. Der zentrale Einsatzdienst hat ihn, nachdem sie ihn freigelassen hatten, nach Haus gefahren, da der Kerl keinen Wagen hat, er ist dann sofort zu Bett gegangen. Angenommen ich fahre hin, wecke ihn auf, er weigert sich, mich hereinzulassen, also dringe ich mit Gewalt ein und spiele den Dirty Harry. Im Film klappt das wunderbar die Macht der Einschüchterung. Er gesteht alles, und die Guten gewinnen. In der realen Welt aber nimmt er sich einen Anwalt, macht Ihnen und mir den Prozeß, und die Medien kriegen es heraus. Inzwischen kommt Ihre Frau hereingeschneit, sie hat eine Panne gehabt, es war kein Telefon in der Nähe. Ein richtiges Happy-End, nur daß sie jetzt wieder auf Seite eins steht, ein Riesenartikel: Sensationell! Ganz zu schweigen von dem Geld, das Sie McCloskey hinblättern müssen, wenn Sie sich nicht von ihm ein paar Jahre lang durch die Gerichte jagen lassen wollen. Was würde das für eine Wirkung auf die psychologische Entwicklung Ihrer Frau haben?«
Ramp sagte: »Das ist ja Wahnsinn!« und schüttelte den Kopf.
»Ich habe der Zentrale gesagt, sie soll ihn weiter im Auge behalten. Sie sagte, sie wollten’s versuchen. Aber um ehrlich zu sein, das ist nicht viel wert. Wenn sie bis morgen nicht zurück ist, besuche ich ihn. Wenn Sie warten wollen, fahre ich jetzt gleich hin. Wenn er mich nicht reinläßt, setze ich mich draußen hin und behalte die ganze Nacht lang seine Tür im Auge und schreibe Ihnen einen detaillierten eindrucksvollen Bericht. Ich verlange siebzig Dollar pro Stunde von Ihnen plus Unkosten. Eine Stunde, in der nichts passiert, muß genauso bezahlt werden wie eine, in der ich was tue. Aber ich dachte, für das Geld haben Sie ein Recht auf ein unabhängiges Urteil meinerseits.«
»Und wie lautet Ihr unabhängiges Urteil, Mr. Sturgis?«
»Es gibt jetzt Besseres zu tun.«
»Nämlich?«
»Nämlich noch mehr Krankenhäuser anzurufen und Tankstellen, die die ganze Nacht geöffnet sind, den Automobilklub, wenn Sie Mitglied sind.«
»Das sind wir. Um diese Sachen kann ich mich kümmern.«
»Können Sie. Tun Sie’s ruhig. Je mehr Leute daran arbeiten, um so schneller werden wir fertig. Wenn Sie es selbst tun wollen, schreibe ich Ihnen eine Liste der anderen Dinge, die Sie tun können, und kann los.«
»Was für Dinge?«
»Die Sanitäter und die unabhängigen Ambulanzen kontakten, die Verkehrspolizeibereiche der verschiedenen Bezirke benachrichtigen, um sicher zu gehen, daß die Information in dem Betrieb nicht verlorengeht. Das passiert oft, glauben Sie mir! Wenn Sie noch mehr tun wollen, rufen Sie die Fluggesellschaften, die Charterlinien und die Autovermietungen an. Gehen Sie der Kreditkartenspur nach, stellen Sie fest, welche Karten sie mit hat, lassen Sie die Nummern bei den Gesellschaften notieren, so daß wir so früh wie möglich erfahren, wo und wann damit bezahlt wird. Wenn sie bis zum Morgen nicht wieder da ist, würde ich auch ihre Kontoauszüge
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