Safa: Die Rettung der kleinen Wüstenblume
finanzielle Situation zu machen. Wir beschaffen euch regelmäßig genügend Lebensmittel, Wasser und alles, was ihr sonst noch so braucht. Eure Kinder werden zur Schule gehen, und ihr werdet einen guten Arzt besuchen können, wenn ihr krank seid.«
Andächtig lauschten Fozia, Idriss und Safas Großmutter den Worten Fardouzas.
»Ihr braucht Safa weder beschneiden zu lassen noch zu verheiraten, denn ihr werdet immer genügend Geld haben«, fuhr sie fort. »Und nun zu unserer einzigen Bedingung: Ihr werdet einen Vertrag mit der Desert Flower Filmproduktion unterzeichnen, mit dem ihr uns die Garantie gebt, dass Safa weder jetzt noch später beschnitten wird. Außerdem willigt ihr ein, dass eure Tochter regelmäßig von einer unserer Kinderärztinnen untersucht wird.«
Als Fardouza Safas Vater in die Augen sah, wusste sie, dass sie ihn längst auf ihre Seite gezogen hatte. Natürlich hätte Idriss, ebenso wenig wie fast jeder andere afrikanische Mann, niemals ein unbeschnittenes Mädchen geheiratet. Seine Angst, dass ihm seine Ehefrau untreu sein könnte und ihm nicht unterwürfig dienen würde, war viel zu groß. Eine Meinung zu dem grausamen Ritual hatte er dennoch nicht, da es ihn aus seiner Sicht gar nichts anging. Schließlich waren Beschneidungen in Afrika reine Frauensache. Die finanzielle Situation seiner Familie hingegen bereitete ihm sehr wohl Kopfzerbrechen. Idriss würde demnach bestimmt einwilligen und den Vertrag unterzeichnen.
Seine Frau dagegen schüttelte erzürnt den Kopf. »Geld ist uns nicht so wichtig. Hier geht es vielmehr um unsere Tradition!«, blaffte sie in die Dunkelheit ihrer schäbigen Hütte. »Safa wird ausgelacht, wenn sie als einziges Mädchen nicht beschnitten ist!« Fragend spähte sie zur Familienältesten hinüber.
Safas Großmutter hatte die ganze Zeit über den Kopf gesenkt gehalten und Fardouza keines Blickes gewürdigt. Jetzt sah sie erstmals mit leeren Augen auf. »Gehen Sie hinaus. Ich muss mit meiner Familie Rat halten.«
Mit pochendem Herzen trat Fardouza aus der Hütte in die gleißende Sonne. Der heiße Wind blies ihr den grauen Staub ins Gesicht. Würde ihr Plan aufgehen? Konnte die kleine Safa, die gerade auf einem Stein neben ihrer schwarz-weißen Ziege kauerte, durch diesen Vertrag gerettet werden?
Nach einigen Minuten, die ihr wie Stunden vorkamen, streckte der Vater den Kopf aus der Hütte.
»Gut«, sagte er, »wir nehmen Ihr Angebot an. Wir verzichten auf die Beschneidung von Safa. Aber wenn die Lebensmittel nur ein einziges Mal zu spät geliefert werden, lassen wir die Kleine machen!«
Am liebsten wäre Fardouza dem dürren Mann um den Hals gefallen. Doch die stechenden Blicke von Safas Mutter und ihrer Großmutter, die inzwischen ebenfalls ins Freie getreten waren, hielten sie davon ab.
Ruhig und dennoch bestimmend sagte sie stattdessen: »Der Termin beim Notar in Dschibuti ist bereits vereinbart. Wir können gleich losfahren und Nägel mit Köpfen machen.«
Sechs Jahre später saß ich mit meiner Managerin und Freundin Joanna im Flugzeug auf dem Weg nach Dschibuti und bangte mit klopfendem Herzen, ob der Vertrag gebrochen worden war. Ich wusste nicht, ob es das Sausen der Klimaanlage des Jumbojets war, das mir in den Ohren dröhnte, oder vielmehr die Angst um die kleine Safa, die mich auf der Leinwand so inbrünstig verkörpert hatte.
»Ich hoffe so sehr, dass sie noch unversehrt ist. Es wäre furchtbar, wenn sie die schreckliche Szene, die wir am Set so realitätsnah nachgestellt haben, tatsächlich durchleben musste«, sagte ich traurig zu Joanna.
Sie antwortete nicht. Als ich zu ihr herübersah, hatte sie den Kopf gegen die Kabinenwand gelehnt und atmete tief und fest. Sie war vor Erschöpfung eingeschlafen.
Ich stellte die Rückenlehne nach hinten und schloss ebenfalls die Augen.
Zwei Stunden später weckte uns das Geklapper des Bordgeschirrs. Die attraktiven äthiopischen Stewardessen reichten uns Getränke und das Abendessen. Noch vor dem Abflug war mir aufgefallen, dass sich einige von ihnen etwas zuflüsterten, als sie mich sahen. Sie hatten mich wohl erkannt. Doch erst jetzt sprach mich eine der Flugbegleiterinnen höflich an.
»Frau Dirie, ich würde Ihnen gerne etwas anvertrauen«, sagte sie. Dabei beugte sie sich zu mir herunter und kam ganz nah an mein Gesicht heran, damit die Passagiere in den umliegenden Reihen sie nicht hören konnten. »Vor drei Jahren habe ich Ihren Film mit meiner Familie in Addis Abeba gesehen. Bei uns zu
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