Safa: Die Rettung der kleinen Wüstenblume
für meine Familie sorgen.«
Langsam entspann sich zwischen der Familie und der Mitarbeiterin der Desert Flower Foundation ein vernünftiges Gespräch. Unsere Organisation, so erklärte Fardouza den skeptischen Erwachsenen, werde künftig dafür sorgen, dass Safas gesamte Familie ein besseres Leben führen könne. Allerdings, so fügte sie schnell hinzu, würde das Mädchen in der Schlüsselszene des Films zu sehen sein, und zwar in der Beschneidungsszene, die selbstverständlich komplett nachgestellt sei.
»Ist Safa denn schon beschnitten?«, fragte sie vorsichtig und in der Hoffnung, der Kleinen möge das Martyrium bisher erspart geblieben sein.
»Nein«, antwortete der Vater, »aber mit dem Geld können wir sie endlich ›machen‹ lassen. Alle Mädchen hier sind bereits beschnitten, und es ist eine Schande, dass unsere Tochter immer noch unrein herumläuft. Die Leute verspotten uns schon, und ich werde für meine kleine Safa niemals einen Ehemann finden, der bereit ist, einen angemessenen Brautpreis zu bezahlen. Dabei könnten wir das Geld so dringend gebrauchen.«
Die Worte des hageren Mannes schmerzten Fardouza. Sie wusste, dass die Menschen in Balbala die sogenannte pharaonische Beschneidung anwendeten, die härteste Form der Genitalverstümmelung. Bei dieser Beschneidungsart, die vor vielen Jahren auch an mir durchgeführt wurde, wird die Klitoris bei vollem Bewusstsein mit einer oft schmutzigen alten Rasierklinge komplett entfernt. Danach werden die Schamlippen abgeschnitten, ehe die Wunde mit den spitzen Dornen eines Busches verschlossen wird. Bis die Verletzungen verheilt sind, müssen die Mädchen mit zusammengebundenen Beinen liegen bleiben. Lediglich eine winzige Öffnung in der Größe eines Streichholzkopfes bleibt zurück. Durch diese wenigen Millimeter sollen der Urin und später auch das Menstruationsblut abfließen. Viele, sehr viele Mädchen sterben bei diesem entsetzlichen Akt. Wenn nicht aufgrund des hohen Blutverlusts bei der Beschneidung, dann an einer Blutvergiftung, dem furchtbaren Schock oder an einer Infektion. Jene, die das grausame Ritual überleben, leiden ihr Leben lang an kaum beschreibbaren Schmerzen.
Als wäre die Verstümmelung in der frühen Kindheit nicht Barbarei genug, wird später der Ehemann, an den die Eltern das Mädchen einmal verkaufen werden, die vernarbte Vagina mit einem scharfen Messer aufschneiden, um sich mit brutaler Gewalt in sie hineinzuzwängen und seiner Frau die Unschuld zu rauben. Für die Frau wird damit nicht nur jeder einzelne Geschlechtsakt zum schmerzhaften Horrorerlebnis, die Geburt eines jeden Kindes bringt sie zudem in Lebensgefahr. Die Vagina lässt sich durch die Verstümmelung nämlich nicht mehr ausreichend dehnen. Sie besteht nur noch aus totem Gewebe und einer Narbe, durch die kein Kind auf natürlichem Wege zur Welt kommen kann. Viele Afrikanerinnen sterben deshalb bei der Niederkunft einen qualvollen Tod. Die anderen werden ihr Leben lang ein Trauma in sich tragen.
Trotzdem werden diese Frauen später bei ihren Töchtern genauso verfahren. Sie werden sich dem Druck von Religion, Tradition und Kultur beugen und ihre kleinen Mädchen förmlich aufs Schafott führen.
So vieles hätte Fardouza Safas Familie in diesem Augenblick gerne gesagt. Sie wusste jedoch, dass jedes Wort überflüssig war, dass es einen klügeren Plan brauchte, um dieses besondere kleine Mädchen vor den schrecklichen Qualen zu bewahren.
Niedergeschlagen kehrte Fardouza nach Dschibuti-Stadt zurück, wo sie Sherry Hormann und dem restlichen Team von dem Treffen und dem Vorhaben der traditionsbewussten Eltern berichtete. Danach rief sie mich an.
Ich war entsetzt. »Ich werde ganz bestimmt nicht zulassen, dass ein kleines Mädchen erst eine Rolle in meinem Film spielt, um danach selbst verstümmelt zu werden!«, rief ich, außer mir vor Sorge und Wut, und hätte fast den Sessel umgeworfen, in dem ich saß.
Stundenlang diskutierten Sherry, Fardouza und ich darüber, wie wir am besten weiter vorgehen sollten. So lange, bis wir eine Lösung gefunden hatten, die hoffentlich für alle Beteiligten ein Gewinn sein würde.
Am nächsten Morgen fuhr Fardouza abermals in die Slums von Balbala, um Safas Familie erneut aufzusuchen.
»Wir haben ein gutes Angebot für euch«, leitete sie das zweite Gespräch mit den Eltern des Mädchens ein. »Safa spielt in unserem Film mit, dafür geben wir euch die Chance auf ein besseres Leben. Ihr braucht euch nie wieder Sorgen um eure
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