Safa: Die Rettung der kleinen Wüstenblume
Kandidatinnen machte. Das Team musste vorerst ohne sie weiterarbeiten, denn sie wollte keine Zeit verlieren und sich gleich zusammen mit der Frau auf den Weg in die Slums zu Safas Familie machen. Tief in ihrem Inneren wusste sie, dass sich der Weg lohnen würde.
Balbala ist das Armenviertel von Dschibuti-Stadt. Bis zu vierhunderttausend Menschen leben hier auf engstem Raum unter Plastikplanen oder in Blechhütten, die meisten von ihnen ohne Strom und Wasser. Dennoch geht es den Ärmsten der Armen hier besser als in ihrem Heimatland Somalia, aus dem sie unter widrigsten Umständen fliehen mussten. Der seit Jahren tobende Bürgerkrieg in dem südlich von Dschibuti gelegenen Land zwingt jährlich Tausende zur Flucht. Viele Somalier mussten ihr Zuhause aber auch aufgrund der zahlreichen katastrophalen Dürreperioden verlassen, um nicht, wie jährlich mehrere hunderttausend Kinder und Erwachsene, einen elendigen Hungertod zu sterben.
Eines haben alle Bewohner der Balbala-Slums gemein: Sie alle sind mit ihren Familien in der großen Hoffnung auf ein besseres Leben hergekommen, nicht ahnend, wie schwer sie es auch hier haben würden. In dem wild angesiedelten Ghetto, das kein offizielles Flüchtlingscamp ist, gibt es so gut wie keine Arbeit. Sauberes Trinkwasser ist ebenfalls kaum vorhanden, und die Menschen leben weit unter der Armutsgrenze. Nirgendwo in Dschibuti ist die Kindersterblichkeit höher als hier. Immer wieder kommt es zu heftigen Unruhen, weshalb die Behörden die Straßen, die nach Dschibuti-Stadt führen, regelmäßig sperren.
Keine ungefährliche Gegend also, in die sich unsere Mitarbeiterin Fardouza vorwagte, um mit Safas Eltern über ein mögliches Mitwirken ihrer Tochter in dem Film
Wüstenblume
zu sprechen. Sie wusste, dies würde kein leichtes Unterfangen werden.
Widerwillig zeigte die junge Frau, die Safa zu dem Casting in der Stadt mitgebracht hatte, Fardouza die Hütte, in der die Familie des Mädchens hauste.
»Da wohnt Safa. Viel Glück, ich gehe jetzt nach Hause!«, schnaubte sie zum Abschied, setzte Safa auf dem staubigen Boden ab und verschwand.
Verdutzt stand die Mitarbeiterin unserer Foundation nun vor dem desolaten Wellblechhaus, aus dem sogleich ein dürrer Mann mit Schnurrbart herausspähte. Es war Safas Vater, der ihr wild gestikulierend entgegenschritt.
»Was wollen Sie hier? Gehen Sie!«, versuchte er sie zu vertreiben.
Doch Fardouza ließ sich nicht abwimmeln. Sie wollte dieses kleine Mädchen unbedingt für die Dreharbeiten gewinnen. Denn sie war sich ganz sicher: Safa ist die Richtige.
Während das Kind sie mit großen, dunklen Augen neugierig musterte, nannte die Afrikanerin dem hageren Mann hastig den Grund ihres Besuches.
»Wir möchten einen Vertrag mit Ihnen abschließen. Ihre Familie bekommt viel Geld dafür, wenn Ihre Tochter bei dem Film mitspielen darf«, erklärte sie. Fardouza wusste genau, dass sie dieses Argument gleich zu Beginn ins Rennen schicken musste, um hier nicht hochkant hinauszufliegen.
Nachdenklich betrachtete der Mann seine Tochter, die ihn freudig anstrahlte. »Warten Sie hier!«, fauchte er und ging in die Hütte zurück.
Einige Minuten vergingen. Lautes Stimmengewirr drang aus der Wellblechhütte. Dann kehrte plötzlich Safas Vater zurück – und bat Fardouza, diesmal sogar recht freundlich, ins Haus. In einer Ecke des winzigen Raums saß eine junge, stämmige Frau, ganz offensichtlich Safas Mutter, auf einer Holzbank und funkelte Fardouza ebenso abfällig an wie die faltige Alte neben ihr. Der Mitarbeiterin der Foundation war auf Anhieb klar, dass es sich bei der Frau um Safas Großmutter handeln musste, die, ganz nach somalischer Kultur, als Familienoberhaupt fungierte und damit das Sagen im Haus hatte.
Nach einer kurzen Begrüßung kam Safas Vater sofort auf den Punkt. »Als Allererstes wollen wir Flugtickets und ein Visum für Frankreich. Natürlich brauchen wir auch eine Menge Geld.«
Fardouza überraschte die harsche Forderung der Familie kein bisschen, da diese Leute ganz offenkundig in tiefster Armut lebten.
»Ich kann meine Familie kaum ernähren, wir haben oft tagelang nichts zu essen«, erklärte sich der Mann. »Sauberes Trinkwasser gibt es hier auch so gut wie nie. Ständig ist einer von uns krank. Einen Arzt oder ein Spital können wir uns nicht leisten. Ich möchte meine beiden kleinen Söhne zur Schule schicken, aber auch dafür fehlt uns das Geld. Arbeit werde ich hier niemals finden, und ohne Arbeit kann ich nicht
Weitere Kostenlose Bücher