Safa: Die Rettung der kleinen Wüstenblume
fröhlich lachend durch die windschiefe Holztür, die ich bereits aus dem Video kannte, das mir Joanna in Brüssel gegeben hatte. Fardouza, Linda und Joanna folgten uns auf dem Pfad in den staubigen Hof, in dem auf einer langen Wäscheleine bunte Kleidung im Wind wehte, als würde sie einen Begrüßungstanz für uns aufführen. An einem Baum war eine kleine Ziege angebunden, die von mindestens so vielen Fliegen gequält wurde wie wir.
Am Ende des Hofs stand ein kleines, aus Ziegeln gemauertes Haus, das für diese Gegend beinahe luxuriös war, denn es verfügte über einen Stromanschluss und sogar eine betonierte Veranda. Ich war überrascht, hatte ich doch die schäbige Wellblechhütte erwartet, die ich in dem Video gesehen hatte. In der Zwischenzeit hatte Safas Familie aufgrund unseres Vertrags und der Unterstützung durch die Desert Flower Foundation offenbar eine bessere Behausung errichten können. Ich freute mich über den Fortschritt, der diese Leute hoffentlich zur Vernunft und damit von dem Vorhaben abgebracht hatte, unseren Vertrag zu brechen.
Auf der Veranda des neuen Hauses versammelte sich nun Safas gesamte Familie. Immer mehr Menschen kamen aus der Hütte und stellten sich nebeneinander auf, als warteten sie darauf, dass jemand ein Gruppenbild schießt. In der Mitte nahm ein dürrer Mann Aufstellung, den ich als Safas Vater erkannte. Auf den Armen trug er stolz seine beiden Söhne Amir und Nour, die mich grimmig musterten. Idriss hingegen lächelte verlegen und begrüßte mich mit einem Nicken. Der Rest der Großfamilie blickte mich wortlos, mit versteinerter Miene an.
»Hallo, wie schön, euch zu treffen«, sagte ich unsicher und daher etwas zögerlich.
Joanna, Linda und Fardouza stellten sich neben mich, als wollten sie mir in dieser skurrilen Situation Beistand leisten.
Noch immer keine Reaktion. Niemand erwiderte meine Begrüßung.
Safa hielt nach wie vor meine Hand und zog mich zu der kleinen Ziege, die im Schatten des Baumes rastete. »Waris, das ist Ari, meine Ziege, sie gehört mir ganz allein. Ich suche jeden Tag für sie Futterreste und bringe ihr Wasser.«
Für einen Augenblick vergaß ich die feindselig dastehende Meute auf der Veranda. Ich beugte mich zu dem Tier hinunter und streichelte es. »Weißt du, ich hatte auch viele Ziegen, damals, als ich noch in der Wüste gelebt habe«, erzählte ich. »Es war meine Aufgabe, mich um sie zu kümmern. Früh am Morgen musste ich mit ihnen auf Futtersuche gehen und ganz alleine auf sie aufpassen, bis wir bei Sonnenuntergang wieder zurück in unser Camp kamen. Meine Tiere waren das Wertvollste, was ich hatte. Ich liebe Ziegen genauso wie du. Ich mag sie, weil sie so ein schönes, glänzendes Fell und einen so starken Willen haben.«
Als wollte sie das Gesagte bestätigen, meckerte die Ziege just in diesem Augenblick. Safa und ich lachten herzlich. Ich richtete mich auf und drehte mich zu der Familie meines Patenkindes um, die immer noch wie angewurzelt auf der Veranda stand und mich wie gebannt anstarrte.
Endlich übergab Idriss seiner Frau die beiden Söhne und schritt langsam auf mich zu. »Wie lange wirst du in Dschibuti bleiben?«, fragte er direkt, ohne mich zu begrüßen. »Ich muss unbedingt allein mit dir sprechen.« Noch bevor ich darauf antworten konnte, fuhr er fort. »Ich kann mit meiner Familie nicht länger in Dschibuti bleiben, du musst uns mit nach Europa nehmen.«
Das war ja interessant. Nachdem kein einziges Familienmitglied es für nötig gehalten hatte, mich zu begrüßen oder sich gar für die Unterstützung meiner Desert Flower Foundation zu bedanken, sollte ich sie nun alle mit nach Europa nehmen.
»Ich bin müde, können wir uns bitte morgen darüber unterhalten?«, verschob ich das Gespräch, das bestimmt nicht leicht werden würde.
»Ja, dann komme ich morgen zu dir ins Hotel, und wir reden über alles«, erwiderte Idriss.
Safa wartete indes ungeduldig darauf, mir endlich ihre Familie vorzustellen. Während mich die Erwachsenen immer noch mürrisch betrachteten, zog das Mädchen seine Brüder zu mir. »Das sind meine beiden Zwerge, Amir und Nour. Am Nachmittag, wenn ich mit den Hausaufgaben fertig bin, spielen wir zusammen vor dem Haus. Ich denke mir immer lustige Spiele aus. Wir könnten alle zusammen mein Lieblingsspiel spielen«, schlug Safa vor.
Da der Rest der Familie noch immer keine Anstalten machte, mit mir zu sprechen, willigte ich ein.
Wir setzten uns auf den Boden und bildeten zu viert einen kleinen
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