Safa: Die Rettung der kleinen Wüstenblume
meiner Meinung zu ihr als Darstellerin für
Wüstenblume
gefragt hatte. Damals wie heute wusste ich, dass sie genau die Richtige war. Sanft und herzenswarm, mutig und rebellisch zugleich. Safa war für mich wie ein Spiegel, in dem ich mich als kleines Kind sah. Sie wusste genau, was sie wollte. Wie ich früher brachte auch sie ihre Eltern oft zur Verzweiflung.
»Benimm dich gefälligst wie ein Mädchen und nicht wie ein schlimmer Junge«, hatte mich mein Vater mehr als einmal ermahnt, als ich klein war und wieder einmal einen meiner todesmutigen Streifzüge durch die Wüste gewagt hatte. Schon damals hasste ich lange Kleider und band sie stets hoch oder zerriss sie, um beweglicher und schneller zu sein.
Als ich nun in Safas Augen blickte, entdeckte ich darin meine eigene Unzähmbarkeit, die mir letzten Endes das Leben gerettet hatte. Genau für diese Unzähmbarkeit, die auch Safa zu einem starken Mädchen machte, sollte ich sie nun schelten, weil sie mit zu einer Freundin gegangen war?
Ich beschloss, zu schweigen und Safa noch einmal innig an mich zu drücken.
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5.
Safas Familie
I ch möchte, dass du neben mir sitzt, Waris«, bat das Mädchen, als wir den Peugeot erreichten, wo Fardouza schon wieder abfahrbereit hinterm Lenkrad saß.
Also tauschten Linda und ich die Plätze, damit Safa vor Glück strahlend zwischen Joanna und mir sitzen konnte. Am liebsten wäre ich gleich mit meinem Patenkind in unser Hotel gefahren, um mit der Kleinen in Ruhe über den Brief, ihre Sorgen und Fragen zu sprechen. Genau das schlug ich den anderen vor.
»Es tut mir leid, Waris, aber das geht nicht«, lehnte Fardouza meine Bitte ab. »Safas Eltern warten auf schon uns. Sie wollen dich endlich treffen. Wir müssen daher zuerst nach Balbala fahren.«
Trotz der brütenden Hitze im Wagen schmiegte sich Safa eng an mich.
»Baby Girl«, sagte ich, und mir wurde ganz warm ums Herz, »weißt du eigentlich, wie viel du mir bedeutest? Wie oft habe ich für dich gebetet. Ich habe mir so sehr gewünscht, dich endlich wiederzusehen.«
Wortlos griff das Mädchen an seinen Hals, zog die Kette hervor, die sich unter dem leuchtend violetten Kleid versteckt hatte, und zeigte mir den Anhänger – die schützende Hand Fatimas. Es war tatsächlich jene Kette, die ich ihr einst geschenkt hatte.
Nach wenigen Kilometern verließen wir Dschibuti-Stadt. Wir erreichten eine Brücke am Fluss Ambuli, der die City von dem gefürchteten Armenviertel Balbala trennte. Ganz in der Nähe des übervölkerten Ghettos stand ein alter Leuchtturm, dem der Stadtteil seinen Namen zu verdanken hatte. »Bal-Bal« bedeutet auf Somali »blinken«. Weil der Leuchtturm immer noch müde seine Dienste verrichtete, nannten die Menschen den benachbarten Ort schließlich Balbala. Ursprünglich war die Siedlung als französischer Militärstützpunkt zum Schutz der Stadt vor Aufständischen gegründet worden. Nach der Unabhängigkeitserklärung Dschibutis im Jahr 1977 hatte man den Checkpoint aufgehoben und in ein Wohngebiet umgewandelt, in dem sich irgendwann die zahllosen Flüchtlinge aus den umliegenden Ländern niedergelassen hatten.
Auf der Brücke, unter der sich das vom vielen Schlamm braun gefärbte Wasser träge in Richtung Meer wälzte, stand ein Militärposten. Safa kletterte auf meinen Schoß. Offenbar flößte ihr der schwerbewaffnete Soldat Angst ein. Prompt hielt der uniformierte Afrikaner uns an. Langsamen Schrittes umkreiste er mit argwöhnischem Blick unser Auto.
»Was ist hier los?«, wollte ich von Fardouza wissen, die öfter in dieser Gegend war.
»Waris, bitte sag jetzt nichts!«, antwortete sie nur und lächelte den Soldaten dabei freundlich an. »Seit einiger Zeit werden alle Fahrzeuge routinemäßig kontrolliert. Nach den Wahlen hatten wir hier wilde Ausschreitungen, so wie in vielen anderen afrikanischen Staaten auch. Die Menschen waren mit dem Wahlergebnis nicht einverstanden und gingen auf die Straße. Vor allem hier in Balbala kam es zu Unruhen. Autos wurden in Brand gesteckt, und Steine werfende Demonstranten blockierten die Straßen«, erklärte Fardouza flüsternd.
Ein zweiter Soldat näherte sich dem Wagen und steckte den Kopf durch eines der immer noch weit geöffneten Fenster. »Habt ihr Waffen dabei?«, fragte er streng.
»Nein«, antwortete Fardouza ruhig, »wir bringen bloß dieses kleine Mädchen zu seinen Eltern nach Balbala.«
Prüfend wanderte der Blick des Soldaten nach hinten zu Safa, die ihr Gesicht jetzt fest in meinen
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