Safa: Die Rettung der kleinen Wüstenblume
Straße wurde von Militärposten gesichert, weshalb wir immer wieder an Schranken halten und uns ausweisen mussten. Bei einem weiteren Stopp baten zwei höfliche Sicherheitsleute darum, dass wir unsere Gepäckstücke und Taschen öffneten. Sogar Safas bunte Schultasche durchsuchten sie. Erst danach durften wir unseren Weg fortsetzen.
Es war wie eine Reise in eine andere Welt. Eine gepflegte, von hohen Bäumen gesäumte Auffahrt führte zu einem riesigen, strahlend weißen Gebäudekomplex. Auf dem Hotelparkplatz standen zahlreiche Fahrzeuge internationaler Organisationen und Militärs mit Aufschriften wie UN , Internationales Rotes Kreuz oder Deutsche Militärpolizei. Vor der gläsernen Drehtür warteten bereits zwei Pagen in eleganten Uniformen mit goldenen Namensschildern am Revers darauf, die Türen des alten Peugeots zu öffnen und uns freundlich zu begrüßen. Wir kletterten aus dem Wagen.
Mit weit aufgerissenen Augen blickte Safa, die immer noch ihr violettes Kleid trug, an dem Hotelgebäude empor. »Wow!«, stieß sie aus.
Ich nahm sie bei der Hand und betrat mit ihr die Hotelhalle. In der blitzblanken Halle nahm gerade weiteres Personal Aufstellung, und der Hoteldirektor eilte uns aufgeregt und mit Blumen in den Händen entgegen.
»Frau Dirie, es ist uns eine Ehre, Sie in unserem Hotel begrüßen zu dürfen.« Überschwenglich schüttelte er mir die Hand und überreichte mir den Blumenstrauß.
Ich gab ihn an Safa weiter, deren Gesicht fast komplett hinter den großen exotischen Blüten verschwand.
Der Hoteldirektor schob uns durch die Lobby zum Lift. »Sie brauchen nicht an der Rezeption einzuchecken, Frau Dirie. Sie sind uns bekannt. Dürfte ich Sie zu Ihrem Zimmer begleiten?«
Ich drehte mich nach meinen Freundinnen um.
»Wir kümmern uns inzwischen um das Gepäck, Waris«, sagte Joanna. Wie so oft schien sie meine Gedanken lesen zu können. »Wir treffen uns dann später im Café.«
Gemeinsam stiegen wir in den Lift, der Hoteldirektor drückte eine Taste, und die Schiebetüren schlossen sich leise. Safas kleine Nase lugte zwischen den Blüten und Blättern des riesigen Blumenstraußes hervor, den sie immer noch fest mit beiden Händen umklammerte.
»Waris, Waris«, flüsterte sie ängstlich, als der Lift abhob. »Das Zimmer, es bewegt sich. Fliegen wir jetzt?«
Lachend sah ich zu ihr hinunter. »Ja, wir fliegen jetzt hinauf zu unserem Zimmer, es ist so weit oben, fast in den Wolken. Komm, gib mir die Blumen und nimm meine Hand.«
In unserem Stockwerk angekommen, verließen wir den Fahrstuhl. Safa blieb davor stehen, legte die rechte Hand auf ihr Herz und tat, als wäre sie völlig außer Atem. Der Hoteldirektor konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
»Puh, ein fliegendes Zimmer, wie geht das? Können wir bitte noch mal fliegen?«, staunte sie.
»Safa, dieses fliegende Zimmer nennt sich Aufzug. Wir werden ihn in den nächsten Tagen noch öfter benutzen. Du hast so etwas wohl noch nie gesehen, hm?«, fragte ich die Kleine.
»Nein, so etwas gibt es in Balbala nicht. Ich wusste gar nicht, dass es so etwas überhaupt gibt. Bitte, bitte, lass uns noch einmal fliegen!«, bettelte sie.
»Nicht jetzt. Wir gehen erst in unser Zimmer, aber später müssen wir ohnehin wieder hinunter.«
Wir gingen ein Stück den Hotelflur entlang, dann zückte der Hoteldirektor eine Magnetkarte und öffnete mit einer lässigen Bewegung die Zimmertür.
Safa kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. »Was war das für ein Zaubertrick?«, fragte sie neugierig. »Bitte zeig mir, wie das geht«, sagte sie zu dem Direktor, der mir einen amüsierten Blick zuwarf. »Darf ich auch mal?«, fragte Safa weiter, woraufhin ihr der freundliche Mann die Karte reichte und sich von mir verabschiedete.
»Safa, hast du Schulaufgaben zu machen?«, fragte ich.
Keine Antwort. Ich drehte mich um, doch das Zimmer war leer. Dann sah ich zur Tür, die sich gerade einen Spalt breit öffnete und wieder schloss. Klick, klack, klick, klack, ratterte die Magnetkarte, die mein Patenkind immer und immer wieder vor den Schließmechanismus hielt. Ich riss die Tür auf, vor der Safa mit ihrem neuen Lieblingsspielzeug stand und mich mit großen Augen ansah.
»Safa, kannst du bitte damit aufhören?«, sagte ich leicht gereizt. »Ich bin hundemüde und will kurz unter die Dusche. Mach du inzwischen deine Hausaufgaben.«
Mit gesenktem Kopf ging Safa zu ihrer Schultasche und holte zögerlich ihre Hefte heraus. Sie wirkte nicht besonders erfreut darüber,
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