Safa: Die Rettung der kleinen Wüstenblume
jetzt Schulaufgaben machen zu müssen.
»Hör mal zu, meine Kleine«, sagte ich sanft. Es tat mir leid, dass ich mich eben im Ton vergriffen hatte. »Das Hotel hat einen Swimmingpool. Je schneller du mit deinen Aufgaben fertig bist, desto eher können wir schwimmen gehen«, versuchte ich sie aufzumuntern. »Ich möchte mich nur kurz frischmachen und ein wenig ausruhen, denn wie du dir vorstellen kannst, bin ich sehr müde von der langen Reise.«
Schmollend setzte sich Safa an den Schreibtisch. Ich ging ins Badezimmer und drehte die Dusche auf, aus der klares, erfrischend kaltes Wasser prasselte. Herrlich, das war jetzt genau das Richtige.
Das kühle Nass trieb mir schlagartig die Müdigkeit aus den Knochen. Erfrischt kam ich aus dem Badezimmer, um nach Safa zu sehen. Doch sie war schon wieder verschwunden. Besorgt drehte ich mich einmal um die eigene Achse. War sie etwa weggelaufen? Diese kleine, widerspenstige Person trieb mich noch in den Wahnsinn! Ich öffnete die Zimmertür, vor der mein Patenkind abermals mit der Magnetkarte in der Hand stand und mich schuldbewusst anblinzelte.
»Safa, bitte«, bat ich das kleine Mädchen inständig. »Setz dich zurück an den Tisch und erledige deine Hausaufgaben.« »Waris, ich habe auf dich gewartet.« Dieses Kind war wirklich um keine Ausrede verlegen. »Ich verstehe die Aufgaben nicht. Kannst du mir helfen?«
Obwohl ich nie eine Schule besucht habe, war ich es als alleinerziehende Mutter zweier schulpflichtiger Kinder gewohnt, ihnen bei den Hausaufgaben helfend zur Seite zu stehen. Wortlos stellte ich einen zweiten Stuhl an den Hotelschreibtisch, an dem Safa und ich jetzt Platz nahmen. Das Mädchen las mir laut die erste Frage vor und gab lachend die richtige Antwort. Es folgte die zweite Frage, die sie ebenfalls sofort beantworten konnte. Auch bei der dritten hatte sie keinerlei Schwierigkeiten.
»Kind, du brauchst doch überhaupt keine Hilfe! Du löst die Aufgaben ja schneller, als ich es könnte«, sagte ich freudig.
Da lachte die Kleine verschmitzt und packte die Hefte wieder in den Schulranzen. Sie hatte mir wohl bloß zeigen wollen, wie viel man ihr in der Schule, deren Besuch ihr die Unterstützer der Desert Flower Foundation ermöglichten, beigebracht hatte. Stolz drückte ich mein Patenkind an mich und gab ihm einen Kuss auf die Stirn.
Wie versprochen wollte ich nun mit Safa schwimmen gehen.
»Oje, wir haben ja gar keinen Badeanzug für dich dabei«, fiel mir plötzlich ein. »Egal, wir kaufen einfach schnell einen im Hotelshop.«
Safa sah mich fragend an. »Was ist das, ein Badeanzug?«, wollte sie wissen und fügte schnell hinzu. »Wir gehen manchmal an den öffentlichen Strand, da bade ich immer mit meinen Kleidern.«
»Wie? Mit Kleidern kann man doch gar nicht schwimmen, da geht man doch unter wie ein Stein«, sagte ich amüsiert. Schnell schlüpfte ich in meinen dunkelblauen Sportbadeanzug, den Safa neugierig betrachtete, zog einen Bademantel darüber und packte ein paar Badetücher zusammen. »Komm, lass uns mit dem fliegenden Zimmer hinunterfahren und dir deinen ersten Badeanzug kaufen gehen.«
Wie ich es vermutet hatte, gab es in der Hotellobby einen hell erleuchteten Shop, in dem Souvenirs, Kosmetik, Kleider und auch Badeoutfits zu völlig überteuerten Preisen angeboten wurden. Einen Badeanzug nach dem anderen nahm ich von der Kleiderstange, um ihn Safa anzupreisen, doch anstatt sich einen auszusuchen, rümpfte die Kleine nur die Nase.
»Den da will ich haben!«, rief sie plötzlich aufgeregt, lief vor die Auslage des Geschäfts und zeigte auf einen hellblauen Einteiler mit einer riesigen Minnie Maus darauf.
Nachdem es sich um eines der teuersten Stücke des Ladens handelte, eilte die Verkäuferin erfreut herbei und holte den Badeanzug heraus.
»Probier ihn erst mal an«, forderte ich Safa auf. »Ich helfe dir dabei.«
Ich wollte die Gelegenheit nutzen und Safa in die Umkleidekabine begleiten. Vielleicht konnte ich dort unauffällig einen Blick auf ihre Scham erhaschen und so herausfinden, ob das Mädchen unversehrt war. Die vehemente Reaktion ihrer Familie auf meine Aussagen über weibliche Genitalverstümmelung vorhin in Balbala hatte meine Sorge, dass Safa längst beschnitten war, nur noch vergrößert.
»Nein, ich kann das allein«, durchkreuzte Safa meine Pläne.
Damit verschwand sie in der Kabine und zog den Vorhang mit einem heftigen Ruck zu. Besorgt blickte ich auf die dunkelbraune Filzwand, die hoffentlich nicht das verbarg,
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